Pressemitteilungen | 02.02.2016 Vorteile durch Asymmetrie

  • Einseitige Belastung von Zahnrädern macht schräges Profil sinnvoll
  • Wälzschleifen von asymmetrischen Verzahnungen vereint Produktivität und Qualität
  • Neuentwickelte Software optimal für symmetrische und asymmetrische Abrichter

Oft drehen sich Zahnräder ihr gesamtes Betriebsleben hindurch nur in eine Richtung. Insbesondere bei Kraftfahrzeugen, Nutzfahrzeugen, Schiffen, Hebezeugen oder Generatoren ist dies der Fall. Bei diesen Zahnradgetrieben ist in der Regel die Belastung der einen Flanke erheblich höher als die der gegenüberliegenden. So werden die Rückflanken während einer relativ kurzen Arbeitsphase gar nicht oder nur leicht belastet. Eine asymmetrisch geformte Verzahnung spiegelt diesen funktionalen Unterschied wider.

„Eines der Konstruktionsziele von asymmetrischer Verzahnung ist es, die Leistung des im Hauptbetrieb belasteten Profils auf Kosten der Leistung der gegenüberliegenden Profile zu verbessern“, erläutert Dr. Alexander Kapelevich, Vorstand von AKGears. Er ist Spezialist für die Berechnung des Werkzeugprofils und weiterer Parameter für asymmetrische Verzahnungen. „Asymmetrische Zahnprofile ermöglichen eine Erhöhung des Traganteils und des Betriebseingriffswinkels, die über die mit konventionellen, symmetrischen Getrieben erreichbaren Grenzwerte hinausgehen.“ Durch die Verteilung über Breiten- und Stirnlast sowie über die Dynamik kann die Verzahnungssteifigkeit deutlich verbessert werden. Auch die Zahnflankentragfähigkeit profitiert von einem erhöhten Eingriffswinkel an der belasteten Zahnflanke. Zudem verbessert sich auch die Zahnfußtragfähigkeit.

Der größte Vorteil einer asymmetrischen Verzahnung ist die reduzierte Hertz‘sche Pressung auf den Antriebsflanken. Das führt zu einer höheren Leistungsdichte – also der Tragfähigkeit im Verhältnis zur Zahnradgröße – bei der Kraftübertragung im Getriebe. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist die Möglichkeit, die Rückflanken der Verzahnung unabhängig von der Antriebszahnflanke zu gestalten. Damit wird quasi ein Einstellen der Zahnsteifigkeit ermöglicht, während gleichzeitig der gewünschte Eingriffswinkel und der Traganteil der Antriebsflanken beibehalten werden. Dies erlaubt eine höhere Zahnkopfbiegung, was den Zahneingriffsstoß dämpft und zu einer Verringerung der Getriebegeräusche und der Schwingungen führt.

Angepasste Werkzeuge nötig

Alexander Kapelevich definiert die asymmetrische Zahnfußgeometrie unabhängig vom Modell der Zahnstange, was ihn von anderen Forschern der Getriebetechnik unterscheidet. Die Vorgehensweise Direct Gear Design® von Kapelevich erlaubt eine Optimierung der asymmetrischen Verzahnung und ermöglicht, dass die Fußausrundung bei besonderen Getriebeanwendungen eine maximierte Leistung erzielt. Ein solcher Ansatz erfordert selbstverständlich spezielle Werkzeuge. Nachdem die Optimierung der Zahnfußgeometrie abgeschlossen ist, definiert Direct Gear Design® auch das Werkzeugprofil und weitere Parameter. „Eines der Konstruktionsziele von asymmetrischer Verzahnung ist es, die Leistung des im Hauptbetrieb belasteten Profils auf Kosten der Leistung der gegenüberliegenden Profile zu verbessern.“

Konturführung mit Köpfchen

Die Herstellung von asymmetrischen Verzahnungen durch Vorfräsen, Härten und einer anschließenden Hartfeinbearbeitung durch Schälwälzfräsen oder Profilschleifen ist seit Jahren Stand der Technik. Das Schälwälzfräsen ist produktiv, unterliegt aber in der zu erzielenden Verzahnungsqualität gewissen Einschränkungen (DIN 6 bis DIN 7). Das Profilschleifen bietet hier einen deutlich höheren Qualitätsstandard, ist aber einem kontinuierlich wälzenden Verzahnverfahren zeitlich unterlegen. Auf Kundenwunsch entwickelte die Liebherr-Verzahntechnik GmbH das Wälzschleifen von asymmetrischen Verzahnungen. Dieses Verfahren vereint die höchste Produktivität mit hoher Qualität.

An das Wälzschleifen stellen asymmetrische Verzahnungen jedoch höhere Ansprüche als an den Schleifprozess selbst sowie an die Schleif- und Abrichtwerkzeuge. Für die Entwicklung des neuartigen Schleifverfahrens stellten sich gleich mehrere Fragen. „Wir standen vor einer doppelten Herausforderung“, erklärt Dr.-Ing. Andreas Mehr, Technologieentwicklung und -beratung Schleifen und Stoßen bei der Liebherr-Verzahntechnik GmbH. „Zum einen brauchten wir die Abrichttechnik zur Herstellung einer asymmetrischen Schleifschnecke. Zum anderen mussten wir den gesamten Schleifprozess inklusive dem Einmitten der Schleifschnecke in die Zahnlücke entwickeln“.

Profilwinkelkorrektur beim Abrichten

Für das Abrichten entwickelten die Experten ein Softwarepaket, das sowohl mit asymmetrischen als auch symmetrischen Abrichtern arbeiten kann. „Ein asymmetrischer Abrichter ist für die Produktion ideal. Im Prototypenbau kann auch ein symmetrischer Abrichter entsprechend geschwenkt werden“, stellt Andreas Mehr die jeweiligen Vorteile dar. Die Maschine bietet einen Schwenkbereich bis 7,5 Grad an. Eine große Herausforderung beim Abrichten war die komplexe mathematische Berechnung der notwendigen Schwenkbewegung des Abrichters. Durch das Abrichten verkleinert sich der Durchmesser der Schleifschnecke, was wiederum eine Profilwinkelkorrektur nach sich zieht – nach jedem Abrichtvorgang.

Im Schleifprozess selbst tritt eine ganz andere Dynamik im Zahnflankenkontakt zwischen Schleifschnecke und Werkstück auf als bei herkömmlichen, symmetrischen Schleifprozessen. Da sich beim Schleifen asymmetrischer Zahnräder entsprechend den unterschiedlichen Eingriffswinkeln das Aufmaß auf der rechten und linken Zahnflanke ändert, ist eine elektronische Korrektur nötig. Diese wird durch ein modifiziertes Einmitten im Einrüstvorgang ermittelt. Das sogenannte Einmitten, also der mittige Eingriff der Schleifschnecke in die Zahnradlücke, muss bei asymmetrischen Verzahnungen leicht versetzt erfolgen und im Schleifprozess durch eine präzise Steuerungs- und Regelungstechnik eingehalten werden.

Zeit für Asymmetrie gekommen

Dank der neuen Schleiftechnik werden asymmetrische Zahnräder künftig häufiger zum Einsatz kommen. „Ihre Vorteile liegen auf der Hand und sind längst bekannt“, weiß Andreas Mehr. „Durch die Berechnungen von Dr. Kapelevich ist eine einfache Auslegung der Makrogeometrie möglich geworden. Jetzt lässt sich auch der Wälzschleifprozess sicher beherrschen. Gleichzeitig können unsere Kunden ohne großen Aufwand den Wälzschleifprozess an ersten Prototypen anwenden, dazu reicht das Softwarepaket. Erst für die Produktion ist dann die Investition in einen asymmetrischen Abrichter notwendig.“ Die Zeit für asymmetrische Zahnräder scheint damit endlich gekommen.