„Unser Betriebsergebnis hat sich in 2017 positiv entwickelt, wir haben aber noch Potenzial.“

Dr. h.c. Isolde Liebherr, Vizepräsidentin des Verwaltungsrates der Liebherr-International AG, und Dr. h.c. Willi Liebherr, Präsident des Verwaltungsrates der Liebherr-International AG, im Gespräch.

Frau Liebherr, Herr Liebherr, nach einem Umsatzrückgang im Geschäftsjahr 2016 erzielte die Firmengruppe Liebherr 2017 einen Rekordumsatz. Worauf führen Sie den Erfolg zurück?

Willi Liebherr: Für uns ist vor allem ein gesundes Wachstum wichtig, denn wir denken und handeln langfristig. Im Jahr 2017 haben wir von der günstigen Konjunktur in den verschiedenen Branchen profitiert, sodass sich ein Großteil unserer Sparten sehr positiv entwickeln konnte. Ein gutes Beispiel ist hier die Gewinnungsindustrie. Die Nachfrage nach Mining-Geräten hat wieder enorm angezogen. Aber auch im Erdbewegungsbereich haben wir beispielsweise von einer sehr günstigen Marktsituation profitiert.

Isolde Liebherr: Gleichzeitig haben wir die ersten Früchte einiger Entwicklungsprojekte geerntet, die bereits zur Marktreife gebracht wurden. Außerdem haben einige Sparten ihre Produktpalette in den vergangenen Jahren deutlich erweitert. Auch hiervon können wir jetzt profitieren. Natürlich freuen wir uns über neue Rekordumsätze. Aber wie von meinem Bruder angedeutet, ist uns in erster Linie wichtig, dass sich unser Unternehmen ganz grundsätzlich auf einem soliden Kurs befindet.

Ist die Spartenstruktur von Liebherr ein Erfolgsmodell?

Isolde Liebherr: Es ist insbesondere unsere Diversifikation, die uns stark macht. Jede Sparte ist ein bisschen anders, die verschiedenen Märkte und Branchen, in denen wir präsent sind, funktionieren anders. Auch die Konjunkturlage ist von Branche zu Branche zumeist etwas unterschiedlich. Deshalb entwickeln sich unsere Sparten unterschiedlich, manch eine Entwicklungskurve steigt steiler, und manch eine eher moderat.

Willi Liebherr: Jede unserer Sparten hat deshalb eine eigene Strategie für ihre zukünftige Ausrichtung gebildet, die konsequent verfolgt wird. Für uns ist wichtig, dass der Blick immer nach vorne gerichtet ist und dass unsere Firmengruppe in Summe gesund wächst.

Kommen wir jedoch noch einmal auf 2017 zu sprechen. Auch das Betriebsergebnis hat sich im Vergleich zum Vorjahr verbessert. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Willi Liebherr: Unser Betriebsergebnis hat sich in 2017 positiv entwickelt, wir haben aber noch Potenzial. Langfristiges Wachstum benötigt aber auch kontinuierliche Investitionen. Deshalb reinvestieren wir nahezu unsere gesamten Erlöse wieder in unsere Sparten. Das daraus resultierende Wachstum in der Breite ist wiederum eine gute Voraussetzung dafür, dass sich auch das Betriebsergebnis weiter positiv entwickeln wird.

Was waren Ihre persönlichen Highlights in 2017 und wie ordnen Sie die Entwicklung der einzelnen Sparten ein?

Willi Liebherr: Ein Meilenstein war für mich die Auslieferung von rund hundert Großmotoren an den US-amerikanischen Generatoren-Hersteller Kohler im Jahr 2017. Diese Motorenfamilie ist die leistungsstärkste im Liebherr-Portfolio, wobei die zwölf Zylinder-Variante mit bis zu 2.700 kW Leistung die kleinste Zylinderkonfiguration dieser Serie ist. Doch dies ist nur der Anfang und mit dem 16- und 20-Zylinder werden in Kürze noch kraftvollere Aggregate folgen. Ein Highlight im Bereich Aerospace war natürlich der Erstflug eines von uns im 3D-Drucker hergestellten Teils der primären Flugsteuerung in einem Airbus A380. Das Know-how aus dem Bereich Aerospace nutzen wir auch schon seit vielen Jahren in der Verkehrstechnik. Unser luftgestütztes umweltfreundliches Klimatisierungssystem wurde im Auftrag des Umweltbundesamtes bereits erfolgreich im Testeinsatz in einem ICE der Deutschen Bahn erprobt.

Isolde Liebherr: Bleiben wir beim Thema Kühlen. Wir sind Spezialist für Kühlen und Gefrieren und da gibt es viele Anwendungsbereiche. Die Sparte Hausgeräte entwickelt sich weiter positiv. Unser Fokus liegt aktuell auf der Erschließung des indischen Marktes. Um den Marktzugang zu erhalten, haben wir in ein neues Werk in Aurangabad investiert. Ein weiterer Schwerpunkt im Hausgerätebereich liegt nach wie vor auf dem Thema Digitalisierung. Wir richten unsere Produkte immer am individuellen Nutzen für unsere Kunden aus. So fließen aktuelle gesellschaftliche Megatrends, wie etwa die Individualisierung, konsequent in die Produktentwicklung ein.

Wie ist die Entwicklung bei den Maritimen Kranen, Frau Liebherr?

Isolde Liebherr: Das vergangene Jahr stand sicher im Zeichen unseres Großprojektes, das auch das Jahr 2018 dominieren wird – dem Heavy Lift Offshore-Kran HLC 295000. Um diesen und weitere Krane solcher Dimensionen produzieren und verladen zu können, erweitern wir den Standort Rostock um einen der größten landgebundenen Schwerlastkrane der Welt. Der neue Portalkran TCC 78000 hat eine maximale Hubkapazität von 1.600 Tonnen und wird sich auf Schienen zwischen dem Werksgelände der Liebherr-MCCtec Rostock GmbH und der angrenzenden Kaimauer bewegen.

Liebherr fertig überwiegend in Europa, wo die Produktionskosten höher sind als auf anderen Kontinenten. Warum gibt Ihnen der Erfolg dennoch recht?

Willi Liebherr: Liebherr ist ein europäisches Unternehmen und wir erwirtschaften nach wie vor den größten Teil unseres Umsatzes in dieser Region. Wir sind überzeugt, dass man zunächst in seinem Heimatumfeld etabliert sein muss. Das heißt aber nicht, dass wir nur auf Europa fixiert sind. Im Gegenteil: wir haben europäische Wurzeln, denken und handeln aber längst global. Wir sind rund um den Globus sehr gut aufgestellt.

Welche Märkte sind für Sie in Zukunft von besonderer Bedeutung?

Willi Liebherr: Kanada sowie die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika sind wichtige Zukunftsmärkte. In China etwa möchten wir unsere Aktivitäten zukünftig noch stärker bündeln. Unsere Bereiche Aerospace, Werkzeugmaschinen und Automationssysteme, Komponenten und unser Mining-Programm werden in China bereits vielversprechend nachgefragt - dies gilt es weiter auszubauen.

Frau Liebherr, wo sehen Sie weitere Wachstumspotenziale?

Isolde Liebherr: Wie bereits angesprochen liegt ein starker Fokus auch auf dem indischen Markt, der enormes Potenzial birgt. Unser Hausgeräteprogramm wird am neuen Standort in Aurangabad direkt gefertigt, was einen großen Wettbewerbsvorteil bringt, da man nicht aufwendig importieren muss. Indien ist allerdings auch für weitere Sparten interessant. In den USA haben wir unsere Aktivitäten mit der Gründung der Liebherr USA, Co. als zentrale Vertriebs- und Servicegesellschaft für fast alle Sparten gebündelt.

Die Mitarbeiterzahl ist im vergangenen Jahr erneut angestiegen auf nun rund 44.000 Beschäftigte, dennoch ist der Fachkräftemangel allgegenwärtig. Wie reagiert Liebherr darauf?

Willi Liebherr: Grundsätzlich sind unsere Mitarbeiter unser höchstes Gut, mit dem wir verantwortungsvoll umgehen – das war bei unserem Vater schon so und das leben wir und die dritte Generation ebenfalls. Der entscheidende Faktor, den wir dem Fachkräftemangel entgegenhalten, ist für uns die eigene betriebliche Ausbildung. Das duale Ausbildungssystem ist von enormer Bedeutung, denn, wenn wir nicht selbst umfassend ausbilden würden, hätten wir ein großes Nachwuchsproblem. So bilden wir unsere eigenen Fachkräfte aus und tun alles dafür, dass die Menschen gerne zu uns kommen, um mit Leidenschaft unsere Produkte tagtäglich im Sinne unserer Kunden zu verbessern.

Wir haben bereits über die Zukunft gesprochen. Wie wird sich das Unternehmen in den kommenden Jahren entwickeln?

Isolde Liebherr: Wir streben weiter nach einem stabilen Wachstum in den nächsten Jahren und rechnen für 2018 mit einer moderaten Umsatzsteigerung. Zwar müssen wir – wie bereits erwähnt – immer die unterschiedlichen Branchenkonjunkturen unserer Sparten berücksichtigen, wir werden aber in der Zukunft die Früchte ernten können für zahlreiche Projekte und Entwicklungen, die wir längst eingespielt haben.

Mit Johanna Platt und Philipp Liebherr übernehmen zwei neue Vertreter der dritten Generation jetzt Verantwortung für das Unternehmen. Wie schwierig ist es für Sie, Verantwortung abzugeben?

Willi Liebherr: Die Übergabe der Verantwortung ist ein langfristiger, geradliniger Prozess und den haben wir so gewünscht und geplant. Denn es wäre ein großer Fehler zu glauben, dass man unersetzlich ist. Ich bin froh und dankbar, dass unsere Kinder sukzessive in ihre künftige Aufgabe hineinwachsen und auch die Fähigkeiten für diesen Job mitbringen. Bereits heute nimmt uns die dritte Generation sehr viel ab, deshalb fällt es uns auch nicht schwer, die Verantwortung nach und nach an unsere Kinder zu übertragen.

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