Weihnachtliche Vorfreude im August

„Es fühlt sich immer ein bisschen wie Weihnachten an“, sagt Manuel Niederstätter. Da stört auch nicht, dass der große Moment auf Mitte August terminiert ist. Gemeinsam mit seinem Werkstattleiter Martin Steiner nimmt der Geschäftsführer eines der führenden Kran- und Baumaschinen-Service-Unternehmen Italiens auf dem Firmengelände in Bozen einen guten Bekannten im Empfang: den L1-32. Mit einer maximalen Hakenhöhe von 21,30 Meter, einer Tragfähigkeit von vier Tonnen und einer Ausladung von bis zu 30 Metern ist er wie gemacht für kleinere Baustellen. Aber all das wissen Manuel Niederstätter und Martin Steiner. Für die Überraschung und das weihnachtliche Kribbeln sorgt das Innere des Krans: es ist die neue Steuerung, welche die Bedienung des Krans auf ein neues Level heben wird.

Kranfahren wie aus dem Lehrbuch

„Was wir vorher schon in vielen Gesprächen mit Liebherr in der Theorie von allen Seiten beleuchtet haben, ist nun erstmals in der Praxis zu erleben. Das ist wirklich aufregend“, sagt Martin Steiner, als sich der Kran Schritt für Schritt entfaltet.

„Wird das jetzt ein ganz anderes Kranfahren? Oder handelt es sich bei den Neuerungen um Details, die nur Eingeweihten auffallen?“ Am Bau gehöre eine Portion Skepsis gegenüber Innovationen immer auch zum Selbstverständnis, gerade bei den „alten Hasen“, weiß Manuel Niederstätter. „Unsere Techniker gehen von Haus aus erst einmal ziemlich kritisch an jede Neuerung heran und lassen sich nicht durch klangvolle Werbeaussagen ködern. Aber genau das ist ja gefragt, wenn ein Test erfolgreich sein soll.“

Als der Kran steht und Martin Steiner ihn mit der Funkfernsteuerung in Gang setzt, staunt er. Alle Bewegungen erfolgen harmonisch aufeinander abgestimmt, kein Ruckeln und Pendeln des Hakens – Kranfahren wie aus dem Lehrbuch. „Das geht alles sehr leicht“, stellt Martin Steiner fest. „Die Überraschung ist gelungen.“

Alles unter Kontrolle

Für solche deutlich spürbaren Arbeitserleichterungen sorgt das neue Tower Crane OS – die neueste Generation von Steuerungssoftware aus dem Hause Liebherr. Im besonderen Fokus des Entwicklungsteams stehen fortlaufende Verbesserungen des Kranfahrens. Dazu zählen auch die Assistenzsysteme, die sich bei Niederstätter nun in einem umfassenden Praxiseinsatz bewähren müssen: die intelligente Pendelkontrolle Sway Control, Sway Control Plus, Side Pull Control sowie der sogenannte Hook Carrier für ein kontrolliertes, sicheres Verfahren des Lasthakens.

Beim Testen solcher Tools trifft es sich gut, dass sich die Mitarbeitenden bei Niederstätter seit Langem bestens mit Liebherr-Technologie auskennen. Seit fast einem halben Jahrhundert liefert das Familienunternehmen Baumaschinen und erbringt Dienstleistungen für Bauunternehmen. Die Kranflotte ist eine der größten in ganz Italien und setzt sich ausschließlich aus Schnelleinsatz- und Turmdrehkranen von Liebherr zusammen. Niederstätter ist für Liebherr ein überaus erfahrener und kompetenter Partner im Testen von Innovationen. Gemeinsam arbeiten sie daran, dass die neuen Technologien in der Praxis effizient funktionieren.

„Der Feldtest findet bei einem Kunden von uns in Brixen statt. Das Bauunternehmen arbeitet an der Sanierung und Erweiterung eines Wohnhauses – ein klassisches Betätigungsfeld für einen Schnelleinsatzkran“, sagt Manuel Niederstätter. „Bei solchen Baumaßnahmen wird der Kran oft von unterschiedlichen Gewerken genutzt: vom Maurer über den Zimmerer bis hin zum Maler. Je einfacher und unkomplizierter dann die Bedienung des Krans ist, desto höher ist seine Umschlagleistung und desto sicherer sein Betrieb.“

Dabei könnte sich das, was Martin Steiner beim ersten Probebetrieb auf dem Niederstätter-Gelände als „kinderleichte Kranführung“ erlebt, als echter Komfort- und Sicherheitszugewinn erweisen. Die integrierte Pendelkontrolle, im Fachjargon „Sway Control“ genannt, reduziert und unterdrückt die Pendelbewegungen des Hakens und der Last in Dreh- und Katzfahrrichtung. „Damit können die Hübe auch mit geringer Kranerfahrung nach einer kurzen Einweisung sicher und nahezu komplett pendelfrei ausgeführt werden. Und das mit hoher Umschlagleistung“, sagt Manuel Niederstätter. In der erweiterten Version Sway Control Plus misst eine zusätzliche Sensorik, die sogenannte Inertiale Messeinheit (IMU), die Beschleunigung und Winkelgeschwindigkeit des Kranhakens. Das System beseitigt auftretende Pendelbewegungen vollständig. „Das ist Hightech, wie es sie noch nicht am Kran gegeben hat“, stellt Manuel Niederstätter fest.

Martin Steiner (links) und Manuel Niederstätter (rechts)
Martin Steiner (links) und Manuel Niederstätter (rechts)

Side Pull Control ist eine weitere zusätzliche Hilfe für den Kranfahrer. Wird das System beim Anheben der Last eingesetzt, so positioniert sich die Laufkatze (auch wieder dank der IMU-Sensorik) exakt über der Last. So wird das Anhängen erleichtert und damit eine initiale Pendelbewegung beim Anziehen der Last vermieden. „Das ist aktive Unfallprävention beim Anheben von Lasten“, meint Martin Steiner.

Auf eine leichte und unkomplizierte Handhabung eines Hubs zielt auch der Hook Carrier. Bei diesem System hat der Nutzer den Haken sprichwörtlich in der Hand. Über die bereits beschriebenen Sensoren wird die Bewegung, die der Kranfahrer mit dem Haken durchführt, in Steuersignale umgewandelt. So kann der Haken an den Ort gezogen werden, an dem beispielsweise eine Last anzuhängen ist, ohne diesen mit den Steuerhebeln anfahren zu müssen. „Komplexe und enge Passagen lassen sich dadurch deutlich leichter meistern“, prognostiziert Martin Steiner.

Gemeinsam die Zukunft vorantreiben

„Was das System im Alltag tatsächlich leistet, können am besten die Kunden beurteilen, die mit dem Kran auf ihren Baustellen arbeiten“, sagt Daniela Niederstätter. Wie Manuel ist sie in der zweiten Generation in der Geschäftsführung des Familienunternehmens aktiv. „Im Feldtest ist es uns wichtig, dass der Kran auf alltäglichen und eben nicht auf spektakulären Sonderbaustellen eingesetzt wird. Es geht uns gemeinsam mit Liebherr in den nächsten Wochen und Monaten vor allem um das ehrliche Feedback der Kranfahrer. Dadurch können wir ihre Anliegen bei allen anstehenden Neuerungen und weiteren Optimierungen der Assistenzsysteme auch mitberücksichtigen“, erklärt Daniela Niederstätter. Der Test soll aufschlussreiche Antworten auf Fragen aus der Praxis liefern: werden die Assistenzsysteme vom Kranfahrer als Mehrwert anerkannt? Werden diese in Zukunft mit solchen technologischen Hilfestellungen auch wirklich arbeiten wollen? Können die Assistenzsysteme dazu beitragen, dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern? Und sind sie geeignet, das Unfall- und Schadensrisiko auf der Baustelle signifikant weiter zu senken?

Diese Liebherr-Qualität am Kran möchten wir auch unseren Kunden zur Verfügung stellen, denn sie kann echten Mehrwert und zusätzliche Sicherheit bieten.

Daniela Niederstätter, Geschäftsführerin von Niederstätter

Wie schon bei vorausgegangenen Feldtests, etwa beim L1-24, habe Niederstätter die Zusammenarbeit mit Liebherr bei anspruchsvollen Entwicklungsvorhaben immer als sehr vertrauenswürdig und gegenseitig wertschätzend empfunden. „Dies führt dann fast automatisch zu einem guten, konstruktiven Austausch von Händler und Hersteller“, sagt Daniela Niederstätter. „So entsteht eine Win-win-Situation für alle. Innovationsthemen sind uns im Unternehmen extrem wichtig. Um unsere Beratungs- und unsere Service-Qualität auf hohem Niveau zu halten, möchten wir, dass unsere Techniker stets auf dem neusten Stand sind und die modernste Technik in- und auswendig kennen. Und diese Liebherr-Qualität am Kran möchten wir auch unseren Kunden zur Verfügung stellen, denn sie kann echten Mehrwert und zusätzliche Sicherheit bieten.“

Innovationen, gibt Manuel Niederstätter zu bedenken, seien keine Selbstläufer: „Neue Technologien müssen sich erst beweisen und behaupten.“ So gebe es beispielsweise oft Vorbehalte hinsichtlich eines möglichen Ausfallrisikos zusätzlicher Elektronik. „Und dann geht es immer auch um die Kranfahrer-Ehre und die Überzeugung, dass eine Software niemals so gut sein könne wie die eigene, langjährige Erfahrung.“ Das sei wie beim Autofahren, sagt Manuel Niederstätter, wo anfangs Spurhalte- oder Abstandsassistenten oft belächelt worden seien. „Aber die Erfahrung zeigt: Hat man sich einmal daran gewöhnt, will man nicht mehr darauf verzichten.“ Damit rechnet er auch beim digital verbesserten L1-32-Prototyp. Bei den Assistenzsystemen im Feldtest bleibe der Kranführer weiterhin der „Chef im Ring“: „Es ist für die Akzeptanz durch die bedienende Person von großer Bedeutung, dass die autonom durchgeführten Bewegungen immer aktiv freigegeben werden müssen.“

Martin Steiner und Daniela Niederstätter
Martin Steiner und Daniela Niederstätter

„Schade, dass uns der L1-32 schon so bald wieder verlässt, um in Brixen seinen Dienst anzutreten“, sagt Martin Steiner, der Werkstattleiter der Niederstätter AG. „Das Gefühl des perfekten Kranfahrens ist einfach erhebend. Vielleicht sollten wir im Test auch das Glücksempfinden abfragen“, sagt er mit einem Augenzwinkern. Eigentlich keine schlechte Idee. Die Skala des emotionalen Erlebnisses könnte da vielleicht von „Normal“ bis „Weihnachten“ reichen. Martin Steiner und Manuel Niederstätter wüssten da vermutlich schon, wo sie ihr Kreuz machen würden.

Das könnte Sie auch interessieren

Die (R)Evolution der LICCON-Kransteuerung

Auf der Bauma feiern der LTM 1110-5.2 und der LTM 1100-5.3 Premiere: Als erste Mobilkrane von Liebherr gehen diese 5-achsigen All-Terrain-Krane mit LICCON3 an den Start und schreiben damit die einzigartige Erfolgsgeschichte der LICCON-Kransteuerung fort.

Beitrag lesen

Dreamteam auf solidem Fundament

Schneller, sicherer, effektiver: so präsentiert sich die digital orchestrierte Spezialtiefbau-Baustelle. Liebherr führt seine Technologien noch enger zusammen und vernetzt dazu ein Bohrgerät mit einer Raupenbetonpumpe.

Beitrag lesen

Das Magazin der Firmengruppe

Das Magazin wirft einen Blick hinter die Kulissen von Liebherr. Die Geschichten stellen Helden des Alltags vor und zeigen Lösungen für die Probleme von morgen auf. Es erwarten Sie spannende Geschichten über Menschen, die gemeinsam mit Liebherr Großes leisten.

Zum Magazin