
4 Minuten - Magazin 02 | 2025
Gigant im (gar nicht so kleinen) Kleinformat
Als im Frühjahr 2025 im Verkehrshaus Luzern ein Liebherr LTM 11200-9.1 seinen mächtigen Ausleger erhebt, geht ein Raunen durch die vier Meter hohe Halle.
Nach monatelanger Detailarbeit erweckt Peter Howald sein technisches Meisterwerk zum Leben. Was für viele „bloß“ ein beeindruckendes Ausstellungsstück ist, bedeutet für den Schweizer Modellbauer Leidenschaft, Technikbegeisterung und ein Stück Kindheitserinnerung.

Wenn das Modell des LTM 11200-9.1 mit Teleskopausleger und Wippspitze komplett ausgefahren ist, erreicht der Kran eine Hakenhohe von sieben Metern.
Vom elterlichen Bauhof zum Modelltisch
Schon als kleiner Junge begleitete Peter Howald seinen Vater, der ein Baugeschäft im Berner Oberland führte, auf Baustellen. Besonders fasziniert war er von den riesigen Mobilkranen, meist von Liebherr, die beim Aufbau von Fertighäusern im Einsatz waren.
Der berufliche Weg führte Howald jedoch nicht in den elterlichen Betrieb, sondern in den Maschinenbau. Heute konstruiert der Maschinentechniker Anlagen für die Automobil-, Pharma- und Lebensmittelindustrie. Doch das technische Herz schlägt weiter auch für Schwerlastgeräte –besonders für den LTM 11200-9.1. Als über jenen Kran 2018 dann auch noch ein Artikel in einer Fachzeitschrift erscheint, gibt es für Howald kein Halten mehr.

120 Kilogramm bringt der fertige Modellkran auf die Waage und stützt sich ab wie ein Großer.
Zwei Jahre Planung, 30.000 Teile
Was folgte, war ein technisches Großprojekt im Kleinformat: Zwei Jahre dauerte die Planungsphase. Mithilfe von YouTube-Videos und Datenblättern von liebherr.com entwickelte der Konstrukteur einen detaillierten 3D-Plan im Maßstab 1:14,5. Das Baumaterial sind klassische Teile aus dem Metallbaukasten von Meccano. Weil der Spielzeughersteller viele Originalteile nicht mehr produzierte, kamen auch kompatible Baustücke anderer Hersteller, sowie Stokys-Teile zum Einsatz. Über ein Jahr dauerte allein die internationale Beschaffung, bis eines Tages ein 150 kg schweres Paket geliefert wurde. Auf sieben Werkbänken im Keller entstand aus 30.000 Teilen in 4,5 Jahren Bauzeit ein 120 Kilogramm schweres Kranmodell, das in seiner technischen Komplexität dem Original erstaunlich nahekommt.

Bevor es ans Bauen geht, muss ein CAD-Plan her.
Technik wie beim Vorbild
Neun lenkbare Achsen, davon vier angetrieben, ein stufenlos teleskopierbarer Ausleger mit drei Auszügen (Variante T3), ein funktionsfähiges Y-Abspannsystem und eine Wippspitze, die eine Hakenhöhe von bis zu sieben Metern erlaubt. Die Abstützungen sind wie beim Original teleskopierbar und einzeln steuerbar. Der Kran hebt sich vollständig von den Rädern und steht stabil auf seinen Stützen.
Vom Licht- und Soundmodul übers Teleskopieren bis hin zur Krankabinenbewegung wird das Modell über eine 48-Kanal-Funkfernbedienung gesteuert. Auch die Fahrt im Hundegang ist möglich. Selbst das Gegengewicht – beim Original 200 Tonnen – wird modellgerecht mit 50 Kilogramm simuliert. „Die Kinematik ist unglaublich lehrreich“, sagt der Konstrukteur. „Ob beim Original oder beim Modell – es wirken enorme Kräfte. Zum Beispiel bringen die zwei Zylinder, die den Ausleger anheben jeweils eine Kraft von 1.000 Newton.“

Sowohl beim LTM 11200-9.1 als auch beim zugehörigen Lkw-Fuhrpark.
Präsentation und Resonanz
Das Modell hat Howald dieses Jahr in Luzern erstmals der Offentlichkeit präsentiert. Den Transport ins Verkehrshaus sponserte die Schweizer Firma Senn AG – einst selbst Besitzerin eines echten LTM 11200-9.1. Heute ziert das Firmenlogo des Stahlbau- und Kranunternehmens das Modell von Howald. Der Aufbau vor Ort dauerte Stunden, unterstützt wurde der Modellbauer dabei von seiner Frau. „Modellbau ist eigentlich nicht ihre Welt“, sagt Howald und fügt mit einem Lächeln hinzu: „Auch wenn ich sie nicht für die monatelange Arbeit im Keller begeistern konnte, beim Aufbau war sie voll dabei.“
Ideen für die Zukunft
Ein Gigant wie der 9-Achser kommt natürlich nie allein zur Baustelle. Auch nicht als Modell. Daher arbeitet Howald aktuell an einem Fuhrpark, der später sieben Lkws umfassen soll, welche die Kranteile transportieren. Der erste Transporter mit gelenktem 9-Achs-Auflieger ist bereits fertig und wird für den kompletten Teleskopausleger verwendet. Wenn alles glatt läuft, dann könnte der Kran samt Fuhrpark im April 2026 in einem Baggermuseum in der Region Zürich ausgestellt werden.
Dort will Howald außerdem jüngere Menschen für technischen Modellbau begeistern. Im Verein AMS, „Amateure für Metallmodellbau in der Schweiz“, dem der Konstrukteur angehört, ist der Nachwuchs rar geworden. Seine Hoffnung: „Wenn man zeigt, was alles mit Metallbaukastensystemen wie Meccano oder Stokys technisch möglich ist, kommt die Faszination vielleicht zurück.“
Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 02 | 2025.


