Pressemitteilungen | 02.02.2016 Verzerrungsfreies Wälzschleifen präzisiert Zahnflanken

  • Auch Flankenlinienmodifikationen mit relativ markanten Anpassungen über kurze Verzahnungsbreiten können gefertigt werden.
  • Die Schleif- und Abrichtzeit entspricht der des verschränkungsarmen Schleifens.
  • Damit ermöglichen Liebherr-Schleifmaschinen die wirtschaftliche Produktion von gewälzten Modifikationen in großer Serie.

Die Liebherr-Verzahntechnik GmbH berechnet die Mikrogeometrie von Zahnflanken und hat dadurch eine Methode für ein verzerrungsfreies Wälzschleifen von Flankenlinienmodifikationen entwickelt.

Verschränkungsfreies Wälzschleifen hat sich als Produktionsmethode bewährt: Bereits 1987 meldete die Liebherr-Verzahntechnik GmbH die Erfindung von Dr. Gerd Sulzer zum Patent an. Seitdem können Schleifschnecken mit über die Länge verändertem Profilwinkel so eingesetzt werden, dass die natürliche Verschränkung beim Wälzschleifen von Verzahnungen mit Flankenlinienmodifikationen korrigiert wird. Dazu wird die Schleifschnecke in einer axialen Bewegung am Werkstück vorbeigeführt, so dass sukzessiv jeder Schneckenbereich mit dem Werkstück in Kontakt kommt. Damit wird die Verschränkung eliminiert. „Was bei diesem Verfahren jedoch nicht eliminiert wird, sind Formfehler“, erläutert Dipl.-Phys. Robert Würfel, Technologischer Mathematiker bei der Liebherr-Verzahntechnik GmbH.

Bei Schräg-Verzahnungen etwa wird die Verschränkung zwar korrigiert, im Profil entsteht jedoch eine ungewünschte Hohlballigkeit. Exakt wird die Modifikation nur auf dem Messkreisdurchmesser erreicht. In der topologischen Verzahnungsmessung zeigen sich deutliche Verzerrungen. In zwei Eckbereichen wird zu viel Material abgeschliffen, in zwei anderen zu wenig. „Dies hat Auswirkungen auf die Tragfähigkeit und das Geräusch der Verzahnung“, betont Dr. Hansjörg Geiser, Leiter Entwicklung & Konstruktion Verzahnmaschinen.

Verschränkungsarmes Schleifen löst das Problem nicht

Einfaches, verschränkungsarmes Wälzschleifen löst dieses Problem nur teilweise. Es existieren weiterhin Formabweichungen. Auch hier wird die Modifikation lediglich auf dem Messkreisdurchmesser exakt erreicht. Eine Möglichkeit zur Korrektur bestünde im topologischen Abrichten der Schleifschnecke Zeile für Zeile, was wirtschaftlich unmöglich wäre. Robert Würfel aber hat mit einem neuen Schleifverfahren eine Alternative entwickelt.

Das verzerrungsfreie Wälzschleifen von Liebherr

Liebherr ermöglicht jetzt ein absolut verzerrungsfreies Wälzschleifen von Flankenlinienmodifikationen. „Wir haben das Wälzschleifen zwar nicht neu erfunden, aber wir haben es verstanden“, betont Hansjörg Geiser. Das Ergebnis nach der neuen Methode entspricht eins zu eins der Vorgabe.

„Durch das neue mathematische Verfahren wird die Modifikation auf allen Durchmessern exakt erreicht“, erläutert Robert Würfel. Gleichzeitig entsprechen sowohl die Schleif- als auch die Abrichtzeit der des verschränkungsarmen Schleifens. Dazu werden keine speziellen Werkzeuge benötigt, der Standard-Abrichter genügt. „Wir haben damit einen wirtschaftlichen Prozess für die Serienfertigung entwickelt. Unser Verfahren kann für jede freie Flankenlinienmodifikation genutzt werden.“

Das zum Patent angemeldete Verfahren ist aus Gründen der Tragfähigkeit für Getriebe sehr interessant. Bislang gab es hierfür keine wirtschaftlich sinnvolle Schleifmethode.

Gewälzte Modifikationen (GER)

Das Verfahren kann so angepasst werden, dass es neben freien Flankenlinienmodifikaktionen auch gewälzte Modifikationen schleifen kann. Die Vorteile solcher dreiecksförmigen Endrücknahmen (Generated End Relief) bezüglich der Tragfähigkeit werden in der Verzahnungswelt bereits seit vielen Jahren diskutiert. „Die Möglichkeit gewälzter Modifikationen (Generated End Relief) erlaubt eine gezieltere Auslegung der Pressungsverteilung im Zahneingriff. Dadurch kann die maximal auftretende Hertzsche Pressung beeinflusst werden“, erklärt Professor Dr.-Ing. Karsten Stahl, Ordinarius am Lehrstuhl für Maschinenelemente (FZG) der Technischen Universität München. „So kann die Tragfähigkeit einer Verzahnung bei optimierter Kombination von GER und Standardkorrekturen, wie Kopf- oder Fußrücknahmen, gesteigert werden.“ Der Einsatz in der Praxis scheiterte bisher aber daran, dass kein wirtschaftliches Fertigungsverfahren zur Verfügung stand. Liebherr hat somit auch die letzte Hürde aus dem Weg geräumt.

Anregungsoptimierte Modifikationen

Ein weiterer Anwendungsbereich sind anregungsoptimierte Modifikationen. Aufgrund der zeitlich veränderlichen Verzahnungssteifigkeit ergibt sich zwischen zwei gepaarten Zahnrädern eine periodische Drehwegabweichung mit sehr kleinen Amplituden, welche jedoch einen großen Einfluss auf den Geräuschpegel hat. An der Forschungsstelle für Zahnräder und Getriebebau (FZG) am Lehrstuhl für Maschinenelemente der Technischen Universität München wurde in den vergangenen Jahren erfolgreich der Einsatz sinusförmiger Modifikationen zur Reduzierung dieser Abweichungen untersucht. Diese gezielte Welligkeit, welche typischerweise eine Amplitude im µm-Bereich hat, hat dabei keinen Einfluss auf die Lastverteilung.

Fazit

Auch Flankenlinienmodifikationen mit relativ markanten Anpassungen über kurze Verzahnungsbreiten können durch das verzerrungsfreie Wälzschleifen von Liebherr gefertigt werden – ohne Abweichungen und Verzerrungen. Dabei entspricht die Schleif- und Abrichtzeit der des verschränkungsarmen Schleifens. Damit ermöglichen Liebherr-Schleifmaschinen die wirtschaftliche Produktion von gewälzten Modifikationen in großer Serie, gleiches gilt für anregungsoptimierte Modifikationen. Weitere Anwendungsbereiche sind bereits in der Entwicklung.