Geschäftsbericht 2024

10 Minuten Lesezeit
Interview mit den Familiengesellschaftern
Jan Liebherr, Präsident des Verwaltungsrates der Liebherr-International AG, und Philipp Liebherr, Mitglied des Verwaltungsrates, blicken auf 2024 zurück, teilen Höhepunkte des 75-jährigen Jubiläums und geben Einblicke in zukünftige Entwicklungen, Innovationen und Strategie.
2024 hat Liebherr weltweit mit zahlreichen Mitarbeiterveranstaltungen das 75-jährige Firmenjubiläum gefeiert. Sie haben an vielen dieser Veranstaltungen teilgenommen. Woran denken Sie besonders gerne zurück?
Jan Liebherr:
Die Feierlichkeiten zum 75-jährigen Jubiläum waren geprägt von einer einzigartigen Atmosphäre des Miteinanders. Die Begeisterung und der Stolz unserer Mitarbeitenden waren überall spürbar. Ein Highlight war der eigens produzierte Historienfilm, der eindrucksvoll die Entwicklung unseres Unternehmens über die Jahrzehnte hinweg zeigt. Die familiäre Stimmung, musikalische Darbietungen aus den eigenen Reihen und zahlreiche persönliche Begegnungen haben das Jubiläum für mich zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht.
Philipp Liebherr:
Was mir besonders in Erinnerung bleibt, ist der starke Teamgeist, der bei den Veranstaltungen auf der ganzen Welt deutlich zu spüren war. Die Vielfalt der Feierlichkeiten und die tiefe Verbundenheit unserer Mitarbeitenden mit dem Unternehmen haben mich nachhaltig beeindruckt. Die Gespräche mit unseren Teams haben gezeigt, mit wie viel Leidenschaft und Engagement unsere Firmengruppe getragen wird.

Welche Höhepunkte gab es sonst für Sie im Geschäftsjahr 2024?
Jan Liebherr:
2024 war ein ereignisreiches Jahr mit vielen Meilensteinen. Neben dem 75-jährigen Jubiläum der Firmengruppe haben wir auch die 50-jährigen Jubiläen von Liebherr in Kanada und Brasilien feiern dürfen. Sehr erfreulich war die Wiederaufnahme der Kundentage in Ehingen (Deutschland). Diese Veranstaltungen sind immer wieder eine wertvolle Gelegenheit, sich direkt mit unseren Kunden aus aller Welt auszutauschen. Darüber hinaus haben wir auf verschiedenen Messen unsere Innovationskraft deutlich gemacht, so zum Beispiel auf der Intermat in Paris (Frankreich), der MINExpo in Las Vegas (NV/USA) und der IFA in Berlin (Deutschland). Ein bedeutender Erfolg war außerdem der historische Großauftrag von Fortescue.
Philipp Liebherr:
Die Veranstaltungen und Messen im letzten Jahr waren auch für mich Highlights. Das hat uns einmal mehr gezeigt, wie essenziell direkte Kontakte für unser Geschäft bleiben. Ein wichtiger Meilenstein war für mich die beginnende Erweiterung der Produktionskapazitäten in Campsas (Frankreich). Hiermit haben wir im Luftfahrtsegment eine wichtige Investition in die Zukunft getätigt. Hervorheben möchte ich auch den Auftrag für die Entwicklung der Flight Control Computer für Airbus. Ein weiterer Erfolg war der Verkauf von weit über 100.000 Kühlgeräten in Indien.
Sie haben eben den Großauftrag von dem globalen Technologie-, Energie- und Metallkonzern Fortescue erwähnt. Welche Bedeutung hat dieser Auftrag für Liebherr?
Jan Liebherr:
Dieser Auftrag ist für uns in vielerlei Hinsicht ein bedeutender Meilenstein. Zum einen festigt er unsere langfristige Partnerschaft, zum anderen unterstreicht er unsere Innovationskraft und unser Engagement für eine nachhaltige Zukunft in der Mining-Industrie.
Der Bergbau steht vor einer tiefgreifenden Transformation, und mit Fortescue haben wir einen Partner an unserer Seite, der diesen Wandel entschlossen vorantreibt. Das Ziel, bis 2030 klimaneutral zu agieren, ist ambitioniert – und es erfordert bahnbrechende technologische Entwicklungen. Genau hier kommt Liebherr ins Spiel: Wir werden nicht nur über die Dekarbonisierung der Branche sprechen, sondern handeln, indem wir gemeinsam konkrete Lösungen entwickeln und in die Praxis umsetzen.
Die Zusammenarbeit erstreckt sich über mehrere unserer Produktsegmente und eröffnet uns neue technologische wie auch operative Herausforderungen. Gleichzeitig bietet sie uns die einmalige Gelegenheit, unsere Innovationskraft unter Beweis zu stellen und zu zeigen, dass Liebherr bereit ist, die Zukunft der Mining-Industrie aktiv mitzugestalten. Der Auftrag unterstreicht unseren Anspruch, als technologischer Vorreiter nachhaltige Lösungen für die gesamte Branche zu entwickeln.
Wie bewerten Sie die Geschäftszahlen der Firmengruppe?
Jan Liebherr:
Wir sind sehr zufrieden mit den Geschäftszahlen. Insgesamt verzeichnen wir eine positive Umsatzentwicklung und ein solides Betriebsergebnis 2024, und das trotz anspruchsvollem Marktumfeld. Wir sind in diesem Jahr nachhaltig weitergewachsen und haben als Firmengruppe an Stabilität gewonnen. Das ist, was für uns zählt.
Philipp Liebherr:
Unsere breite Aufstellung hat sich erneut bewährt: Das Jahr 2024 war in Summe von starken Auftragseingängen geprägt, allerdings gab es markante Unterschiede zwischen den Produktsegmenten.
Gehen wir näher auf die Produktsegmente ein: Wie kommentieren Sie deren Entwicklung?
Jan Liebherr:
In einigen Produktsegmenten hatten wir im letzten Jahr ein starkes Wachstum zu verzeichnen, während wir in anderen vor wirklichen Herausforderungen standen. Besonders dynamisch haben wir uns im Produktsegment Mining entwickelt. Das hängt mit dem Großauftrag von Fortescue zusammen. Bei den Mobil- und Raupenkranen haben wir ebenfalls eine deutliche Umsatzsteigerung realisiert. In einigen Segmenten war die Marktlage, insbesondere aufgrund der Situation im Wohnungsbau, jedoch sehr herausfordernd. Dies betrifft vor allem die Betontechnik, die Turmdrehkrane sowie den Bereich der Kühl- und Gefriergeräte. Auch im Produktsegment Erdbewegung war die Entwicklung rückläufig.
Philipp Liebherr:
Im Bereich Aerospace und Verkehrstechnik sind wir wieder gewachsen. Die anhaltend hohe Nachfrage führte zu Kapazitätsengpässen, insbesondere durch Großaufträge von Airbus und anderen Partnern. Dies ist ein Zeichen für unsere starke Marktposition und das Vertrauen unserer Kunden. Auch im Produktsegment Komponenten profitierten wir von bedeutenden Aufträgen. Trotz des heterogenen Bildes sind wir mit der Geschäftsentwicklung insgesamt zufrieden.

Welche bemerkenswerten Entwicklungen in einzelnen Absatzmärkten gab es?
Jan Liebherr:
Deutschland, die USA, Australien, Frankreich und das Vereinigte Königreich zählen weiterhin zu unseren größten Absatzmärkten. Während die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland stagnierte, blieben die USA und Australien stark. Politische Unsicherheiten könnten die Marktlage jedoch beeinflussen.
Wir stehen weltweit in einem intensiven Wettbewerb mit Herstellern, die unter ungleichen Rahmenbedingungen produzieren. Hohe Standortkosten, steigende Energiekosten und bürokratische Hürden fordern die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zunehmend heraus. Unser Geschäftsmodell setzt auf Innovationsstärke und Qualität. Das wollen wir in Zukunft weiterhin sicherstellen.
Wo haben Sie in 2024 investiert und welche strategischen Überlegungen haben Ihre Entscheidungen beeinflusst?
Philipp Liebherr:
Uns ist es wichtig, unsere Produktionsstätten sowie das Vertriebs-, Service- und Logistiknetz konstant zu verbessern und auszubauen. Nur so können wir unseren Kunden die höchste Qualität bieten. Ein Meilenstein im Dezember 2024 war der Baubeginn eines neuen Logistikzentrums in Tupelo (MS/USA), das voraussichtlich 2027 in Betrieb gehen soll.
Jan Liebherr:
Der Standort in Campsas (Frankreich) wird für die Fertigung von Schlüsselkomponenten für Flugzeugklimaanlagen ausgebaut. Zudem ist eine neue Produktionsstätte in Nambsheim (Frankreich) geplant, und in Wildon (Österreich) wurde ein Grundstück erworben, um die Produktionskapazitäten der Liebherr-Werk Bischofshofen GmbH zu vergrößern.
Im Verlauf eines Jahres sprechen Sie oft mit den Kunden der Firmengruppe. Vor welchen Herausforderungen stehen die Kunden? Und wie unterstützt Liebherr sie dabei?
Jan Liebherr:
Je nach Branche und geografischem Standort stehen unsere Kunden vor vielfältigen Herausforderungen: Fachkräftemangel, steigende Nachhaltigkeitsanforderungen, wachsender Preisdruck sowie die fortschreitende Digitalisierung. Hinzu kommen geopolitische Unsicherheiten und sich verändernde politische Rahmenbedingungen.
Philipp Liebherr:
Wir wollen für unsere Kunden ein verlässlicher Partner sein und sie mit den passenden Lösungen für ihre jeweilige Aufgabe unterstützen. Das gelingt uns durch den persönlichen Austausch und dank unserer Präsenz in vielen Regionen. Nur so können wir die Herausforderungen unserer Kunden in ihren Märkten verstehen. Dazu gehört auch, eine enorme Vielfalt an Produkten und Lösungen anzubieten, die wir permanent im Sinne unserer Kunden weiterentwickeln. Bei unseren Lösungen ist uns sehr wichtig, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit miteinander zu vereinen. Deshalb arbeiten wir beispielsweise seit Jahren an alternativer Antriebstechnik oder treiben digitale Innovationen voran.
Künstliche Intelligenz (KI) ist ein allgegenwärtiges Thema. Wo steht Liebherr in diesem Bereich? Welche Chancen sehen Sie für Liebherr, und welche Risiken gilt es zu beachten?
Jan Liebherr:
Liebherr beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit dem Thema KI und bereits heute ist KI ein Bestandteil von Produkten und Dienstleistungen. Die rasante Entwicklung, insbesondere im Bereich generativer KI, bietet zusätzliche Chancen und Möglichkeiten zur Optimierung unserer Produkte und internen Prozesse.
Philipp Liebherr:
Um den firmengruppenweiten Einsatz von KI zu bündeln, haben wir 2024 ein KI-Kompetenzzentrum gegründet. Es dient als Plattform zur Synergiebildung und stellt die technologische Basis für künftige Anwendungen bereit. Die Potenziale für uns und unsere Kunden sind vielfältig: von Advanced Machine Operation über Predictive Maintenance bis hin zu effizienteren Entscheidungsprozessen. Gleichzeitig adressieren wir Herausforderungen wie Datensicherheit und Transparenz sowie die Verlässlichkeit unserer KI-Modelle.

Die Anforderungen an Unternehmen hinsichtlich Corporate Responsibility (CR) nehmen immer weiter zu. Wo steht Liebherr aktuell in Bezug auf dieses Thema?
Philipp Liebherr:
Wir haben bereits vor mehr als drei Jahren begonnen, uns sehr intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen. Im Herbst 2023 haben wir dann unsere erste Nachhaltigkeitsstrategie eingeführt.
Derzeit arbeiten wir auf Ebene der Firmengruppe intensiv daran, Ziele und Maßnahmen dieser Strategie auszuarbeiten und zu verfeinern. Zudem bereiten wir eine gruppenübergreifende Nachhaltigkeitsberichterstattung nach Vorgabe der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) vor. Der Aufbau und die Einführung der damit verbundenen Prozesse und Tools betreffen diverse Stufen und Bereiche der Firmengruppe.
Die Beschäftigtenzahl in der Firmengruppe ist erneut gestiegen und lag Ende 2024 bei gut 54.000 Mitarbeitenden weltweit. Wie stellt Liebherr sicher, ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben? Welche Initiativen oder Programme gibt es, um Talente zu entwickeln und langfristig zu binden?
Jan Liebherr:
Wir bieten unseren Mitarbeitenden anspruchsvolle und abwechslungsreiche Aufgaben, übertragen Verantwortung und fördern unternehmerisches Denken. Dies schafft ein motivierendes Arbeitsumfeld und fördert die langfristige Identifikation mit dem Unternehmen.
Philipp Liebherr:
Unsere Mitarbeitenden haben zudem die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Unser Talentmanagement setzt auf umfassende Angebote – von Traineeprogrammen bis zu gezielten Führungskräfteentwicklungen. So bleiben wir für hochqualifizierte Fachkräfte attraktiv und stellen sicher, dass wir Talente langfristig binden.
Wie wird die Unternehmenskultur bei Liebherr gepflegt? Welche Werte sind Ihnen besonders wichtig und wie werden diese im täglichen Geschäft umgesetzt?
Philipp Liebherr:
Unsere Unternehmenskultur basiert auf sechs zentralen Werten, die unser Handeln seit jeher prägen: Unabhängigkeit, Verlässlichkeit, Innovation, Verantwortung, Mitarbeiterorientierung und Qualität. Diese Werte bilden das Fundament unserer Identität und sind der Schlüssel zu unserem langfristigen Erfolg.
Jan Liebherr:
Entscheidend ist, dass diese Werte nicht nur in Leitlinien verankert sind, sondern von uns, von Führungskräften und von allen Mitarbeitenden aktiv gelebt werden. Dies geschieht durch den offenen Austausch innerhalb der Organisation und eine Kultur, die Eigenverantwortung und unternehmerisches Denken fördert.
So schaffen wir ein Arbeitsumfeld, das Stabilität und Innovation gleichermaßen berücksichtigt und unseren Mitarbeitenden die Möglichkeit gibt, sich sowohl persönlich als auch fachlich weiterzuentwickeln.

Kurz nach der Veröffentlichung des Geschäftsberichts steht die Bauma 2025 in München (Deutschland) an, die weltweit führende Fachmesse für Bau- und Bergbaumaschinen. Welche Innovationen warten an den Liebherr-Ständen auf die Besucher, und können Sie uns bereits Ihre persönlichen Technologie-Highlights verraten?
Jan Liebherr:
Auf der Bauma 2025 erwartet unsere Besucher unter dem Motto „Hands on the future“ eine Vielzahl neuer Produkte und innovativer Technologien. Die Messe bietet uns die ideale Gelegenheit, unsere Vision für die Zukunft mit unseren Kunden zu teilen und gleichzeitig technologisch fortschrittliche Lösungen vorzustellen, die bereits heute verfügbar sind – von neuen Maschinen bis hin zu digitalen Anwendungen.
Besonders hervorzuheben sind unser Raupenkran LR 1300.2 SX als batteriebetriebene Unplugged-Version sowie unser batterieelektrischer Mining-Truck. Beide stehen für unseren technologischen Fortschritt im Bereich emissionsfreier Lösungen.
Ein weiteres Highlight ist der Liduro PowerPort 600, unsere mobile Hochleistungs-Energiespeicherlösung mit einer Kapazität von bis zu 564 kWh. Damit treiben wir die Elektrifizierung von Baustellen und anderen Anwendungen entscheidend voran. Dass wir diese Technologie im Zusammenspiel mit elektrifizierten Liebherr-Maschinen präsentieren können, macht die Innovation noch greifbarer.
Philipp Liebherr:
Wir präsentieren zudem eine mobile Betonmischanlage sowie die leistungsstarken Autobetonpumpen 24 XH und 31 XXT.
Auch im Bereich Digitalisierung gibt es spannende Neuerungen: Unser autonom arbeitender Radlader ist eine Weltpremiere und ein Beispiel für unsere Innovationskraft. Zusätzlich zeigen wir neue Assistenzsysteme, die Maschinen sicherer und effizienter machen, sowie die dazugehörige Sensorik und Hardware, die diese Technologien ermöglicht.
Außerdem setzen wir bei den Turmdrehkranen mit einer innovativen Generation von Verstellauslegerkranen neue Maßstäbe.
Werfen wir abschließend noch einen Blick auf das laufende Geschäftsjahr: Wie sehen Ihre Prognosen für 2025 aus?
Jan Liebherr:
Für das erste Halbjahr 2025 erwarten wir eine Fortsetzung der aktuellen Marktentwicklung, während im zweiten Halbjahr eine leichte Belebung möglich erscheint. Unsere Prinzipien bleiben unverändert: Wir setzen konsequent auf Innovation, Qualität und starke Partnerschaften.
Philipp Liebherr:
Unser Ziel ist es, nachhaltig zu wachsen. Trotz eines anspruchsvollen Marktumfelds blicken wir optimistisch auf das laufende Geschäftsjahr. Unsere breite Diversifikation und langfristige Ausrichtung haben sich bewährt und bleiben die Basis unseres künftigen Erfolgs.
Vielen Dank für das Gespräch.
Dieses Interview wurde im März 2025 geführt.