Sascha Herrmann, Team Leader für Browser UIs bei der Appliance Division der Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen GmbH
Sascha Herrmann, Team Leader für Browser UIs bei der Appliance Division der Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen GmbH

Herr Herrmann, was ist SmartMonitoring für medizinische Kühlschränke und wofür wird es eingesetzt?

Sascha Herrmann: SmartMonitoring ist die Cloud-Lösung von Liebherr für die Temperaturüberwachung von Kühlschränken in Laboren, Krankenhäusern oder Arztpraxen. Bei einem herkömmlichen Kühlschrank in einer Küche ist es weniger schlimm, wenn man einmal die Türe zu lange offenlässt oder sich während des Einräumens der Einkäufe die Temperatur im Gerät verändert. Im medizinischen Bereich sieht das ganz anders aus. Hier geht es um die fachmännische und sichere Lagerung kühlpflichtiger Medikamente, Impfstoffe und Proben. Schon geringste Abweichungen in der Temperatur können Folgen für die Behandlung von Patienten oder die Forschung in Laboren haben. SmartMonitoring schlägt also Alarm, wenn etwas nicht stimmt und benachrichtigt sofort den Nutzer.

In welchen Fällen löst SmartMonitoring einen Alarm aus?

Sascha Herrmann: Das passiert, wenn die Temperatur von dem vom Nutzer eingestellten Temperaturbereich abweicht. Je nach Inhalt des Kühlschranks, kann dieser Bereich angepasst werden, sodass zum Beispiel bei einer Abweichung von plus-minus 0,5 Grad ein Alarm an den Kunden gesendet wird. SmartMonitoring warnt aber auch, wenn eine Kühlschranktür nicht richtig geschlossen wurde, oder wenn einmal der Strom in der Arztpraxis ausfällt.

Was geschieht in diesem Monitoring-System im Falle eines Stromausfalls?

Sascha Herrmann: Hinter SmartMonitoring liegt eine umfassende Cloud-Infrastruktur, die von drei Liebherr-Teams betreut wird. Das sind – neben meinem Team – noch ein reines Cloudteam und Infrastrukturteam. Die Kühlschränke sind über unseren SmartCoolingHub mit dieser Cloud verbunden und senden Monitoring-Daten, die kontinuierlich ausgewertet werden. Wenn der Strom in einer Praxis einmal ausfallen sollte, registriert das System, dass der SmartCoolingHub nicht mehr erreichbar ist und sendet unmittelbar eine Meldung an die Cloud. Diese löst einen Alarm aus, der dem Nutzer direkt per E-Mail, SMS oder Voice-Nachricht zugeschickt wird. Das ermöglicht unseren Kunden ein hohes Maß an Sicherheit und Überwachung und sie können jederzeit schnell reagieren.

Welche Schritte muss eine solche Software von der Idee bis zur Markttauglichkeit durchlaufen?

Sascha Herrmann: Das sind sehr viele Schritte und Iterationen, die man durchlaufen muss. Zuerst muss man eine Art Grobstruktur erstellen und eine klare Zielsetzung haben, und Entscheidungen zu Technologien treffen: setzen wir zum Beispiel Microservices innerhalb des Server-Frameworks Kubernetes oder in bestehender Client-Server Technologie um. Man muss also den Grundrahmen aufstellen und davon ausgehend kann man immer weiter ins Detail gehen. Dann muss man sich das User Interface (UI) anschauen und festlegen, wie das UI auf diese Microservices zugreifen soll. Sprich, man muss eine Webseite designen und entscheiden was passiert, wenn der Nutzer etwas anklickt. Und dafür braucht es noch eine Bedienungsstrategie. Und dazwischen kommen immer wieder die Punkte, an denen man merkt, dass etwas nicht so funktioniert, wie geplant. Dann heißt es, bereits begonnene Entwicklungen wieder neu zu denken. Es ist wichtig, eine gute Fehlerkultur zu haben.

Was bedeutet der Einsatz von Microservices für SmartMonitoring?

Sascha Herrmann: Die Art und Weise, in der wir die SmartMonitoring-Software entwickelt haben, ist ziemlich cutting-edge. Wir haben eine umfassende Microservice-Architektur entwickelt. Das heißt, wir nutzen im Prinzip ein Bausteinsystem aus vielen kleinen Services, von denen jeder eine spezielle Aufgabe hat. Früher wurden Softwares meist als riesige Services im Backend, also als großes Komplettpaket, entwickelt. Man kaufte sich die Software und verwendete sie dann fünf Jahre oder länger ohne große Updates. Heute ist das nicht mehr der Fall. Wir befinden uns in einer ganz anderen Welt. Wir erleben externe Angriffe auf die Sicherheit von Software und Infrastrukturen weltweit, Kunden haben Wünsche, die zeitnah umgesetzt werden müssen, und immer neue Technologien bringen immer neue Möglichkeiten mit sich. Um diese Realität abbilden zu können, müssen wir stetig an unserer Software arbeiten, sie erneuern und verbessern. Das ist für uns essentiell. Denn wenn wir Liebherr-Software verkaufen, dann muss sie getestet, zuverlässig und vor allem sicher sein.

Unser Job als Software-Entwickler ist es, die Komplexität unseres Systems für den Nutzer nicht sichtbar zu machen.

Sascha Herrmann, Team Leader für Browser UIs bei der Appliance Division, Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen GmbH

Die Software operiert also in einem agilen System?

Sascha Herrmann: Ja, in einem äußerst agilen System. Die Microservice-Architektur macht es relativ leicht, zu sagen, hier ist ein Problem, darum wechseln wir den entsprechenden Microservice aus oder updaten ihn. Der Rest der Cloud-Architektur wird dabei nicht angetastet und bleibt erhalten. Für SmartMonitoring ist das ein hervorragender Ansatz. Er bedeutet, dass wir flexibel einzelne Microservices anpassen oder austauschen können, ohne die Software selbst von Grund auf erneuern zu müssen. So können wir alle vier Wochen ein neues Release machen.

Werden auf diesem Weg auch Kundenwünsche umgesetzt?

Sascha Herrmann: Dieser nahe Kontakt zu unseren Kunden ist für uns sehr wichtig. Wenn ein Kunde eine gute Idee hat, dann bauen wir diese so schnell wie möglich in die Software ein, und der Kunde sieht die Umsetzung dann bald in seiner Software. Wir interviewen unsere Kunden auch, um zu verstehen, welche Bedürfnisse sie haben. Außerdem sitzen wir nur zwei Meter entfernt von unseren Kollegen aus dem E-Business, die die Schnittstelle zu unseren Kunden sind. Dieses Maß an enger Zusammenarbeit ist fantastisch.

SmartMonitoring ist ein hochkomplexes System. Merkt der Nutzer etwas davon?

Sascha Herrmann: Unser Job als Software-Entwickler ist es, die Komplexität unseres Systems für den Nutzer nicht sichtbar zu machen. Niemand will zwei Wochen in einer Bedienungsanleitung lesen müssen, bevor er eine App anwendet. Als Nutzer erwarten wir Software, die intuitiv benutzbar ist. Wir kennen das ja heute von jeder App, die wir herunterladen. Ein System muss so selbsterklärend sein, dass wir einfach klicken und automatisch wissen, was mit dem Klick passiert. Im Falle des SmartMonitoring ist das User Interface also das Einzige, was die Nutzer sehen und bedienen. Wir fangen durch eine durchdachte, intuitive und gut designte Benutzeroberfläche die Komplexität vom Kunden ab.

Verändert diese Komplexität auch die Anforderungen, die an einen Software-Entwickler gestellt werden?

Sascha Herrmann: Heute muss ein Entwickler geistige Flexibilität mitbringen und dazu in der Lage sein, viele verschiedene Technologien anwenden zu können. Die Zeiten, in denen man über Jahre dröge in einer Technologie entwickelt hat, sind lange vorbei. Und gerade das macht unsere Arbeit so kreativ und spannend. Wir setzen zum Beispiel gerne Vue.js ein, das ist unser bevorzugter Javascript Webframework. Aber, wenn etwas in der einen Technologie besser funktioniert, dann sind wir immer bereit, in einem anderen Framework zu entwickeln. Das erwarten wir übrigens auch von Bewerbern, die Teil unseres Teams werden möchten.

Wie geht es weiter mit der Software-Entwicklung bei Liebherr?

Sascha Herrmann: SmartMonitoring war für uns der Anfang. Künftig wollen wir viele weitere Liebherr-Software-Projekte in-house entwickeln, und zwar für die gesamte Firmengruppe. Hier bei uns im Liebherr-Digital Development Center am Standort Ulm arbeiten Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen Software Development, Engineering und Data Science gemeinsam an digitalen Projekten aus der gesamten Liebherr-Produktwelt. Das ist ein richtig kreatives Umfeld. Mein Team hat dabei einen wesentlichen Anteil, weil unsere Produkte oft der einzige „taktile“ Berührungspunkt des Nutzers mit der für ihn entwickelten Lösung sind. Wir entwickeln alle mit Herzblut und warten schon mit Begeisterung auf unsere nächsten Software-Projekte.

Über den SmartCooling Hub werden Kühlschränke mit der Cloud verbunden und senden Monitoring-Daten, die kontinuierlich ausgewertet werden. Im SmartMonitoring Dashboard können diese abgerufen werden.
Über den SmartCooling Hub werden Kühlschränke mit der Cloud verbunden und senden Monitoring-Daten, die kontinuierlich ausgewertet werden. Im SmartMonitoring Dashboard können diese abgerufen werden.

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