Digitalisierung bei Liebherr

Durch neue Informationstechnologien und digitale Daten können neue Lösungen und Geschäftsmodelle entwickelt werden, um die Herausforderungen von Kunden zu lösen. Liebherr arbeitet systematisch daran, in dieser digitalen Transformation immer einen Schritt voraus zu sein. Kjeld Jespersen von der Liebherr-International AG zeigt diesen Prozess auf und erklärt, wie wichtig es ist, die Digitalisierung zu koordinieren und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Effizienz durch Zentralisierung und der Umsetzung in den einzelnen Unternehmensbereichen zu gewährleisten.

01 Herr Jespersen, inwiefern betrifft die Digitalisierung die Firmengruppe Liebherr?

Die Digitalisierung betrifft alle unserer Geschäftsbereiche. Tatsächlich müssen wir die folgende Frage beantworten: Wie können wir unser Versprechen halten, Produkte und Services von höchster Qualität zu liefern, während wir gleichzeitig einen Schritt weitergehen und Innovation und Effizienz durch digitale Mittel fördern?

Wir sehen die Digitalisierung als Chance, unsere bestehenden Services weiter zu verbessern und völlig neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Die Digitalisierung wird es uns ermöglichen, bestehende Services noch effizienter zu machen, wie zum Beispiel das Condition Monitoring. Derzeit benötigt man oft mehr als nur einen Besuch des Servicetechnikers, um eine Maschine zu reparieren: Während bei einem ersten Besuch das Problem identifiziert wird, kann es erst bei einem zweiten Besuch mit den korrekten Ersatzteilen gelöst werden. Durch den Einsatz von digitalen Geräten zur Problemidentifizierung aus der Ferne, wie die Remote-Service-App für Raupenkrane, Tiefbaumaschinen und maritime Krane, wird dieser Prozess beschleunigt. Der Servicetechniker muss dann nur noch einmal zur Baustelle fahren, weil er bereits die richtigen Werkzeuge und Ersatzteile mitbringen kann.

Digitale Lösungen werden es uns außerdem ermöglichen, die derzeitigen Herausforderungen unserer Kunden mithilfe von völlig neuen digitalen Services zu lösen. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung des Crane Planner 2.0. Dabei haben wir unsere Expertise in der Baustelleninstallation in einem Format gebündelt, das es unseren Kunden ermöglicht, die richtigen Krane für ihre Baustelle auszuwählen.

Tatsächlich müssen wir die folgende Frage beantworten: Wie können wir unser Versprechen halten, Produkte und Services von höchster Qualität zu liefern, während wir gleichzeitig einen Schritt weitergehen und Innovation und Effizienz durch digitale Mittel fördern?

02 Was ist die größte Herausforderung für Liebherr bei der Koordination der digitalen Transformation?

Die größte Herausforderung besteht darin, unsere digitalen Aktivitäten als diversifizierte Firmengruppe effektiv zu managen und zu priorisieren. Während die Digitalisierung eine große Bandbreite an neuen Technologien bietet, ist es besonders wichtig, dabei nicht den Überblick zu verlieren, sondern sicherzustellen, dass neue Technologien zum Wohle unserer Kunden eingesetzt werden. Das ist tatsächlich eine der beträchtlichen Stärken unserer Unternehmensstruktur: Jede Sparte steht in sehr engem Kontakt mit ihren Kunden, versteht deren Herausforderungen und kann Lösungen anbieten, die auf sie abgestimmt sind.

Gleichzeitig ist es aber genauso wichtig, Überschneidungen in den einzelnen Geschäftsbereichen zu identifizieren. Anstatt also eine Technologie isoliert in den einzelnen Produktbereichen zu erforschen, müssen wir die richtigen Mitarbeiter aus allen Sparten an einen Tisch bringen, um gemeinsam daran zu arbeiten. Indem wir Erfahrungen transparent miteinander teilen und gemeinsam an Problemen arbeiten, können wir Synergien nutzen und effizienter handeln.

03 Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um die Transparenz und die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bereichen zu fördern?

Wir haben eine digitale Governance-Struktur implementiert, um das digitale Projektportfolio zu verwalten, die bereichsübergreifende Zusammenarbeit zu erleichtern und ein Netzwerk interner Experten zusammenzubringen. An der Spitze dieser Struktur sitzt das Digital Board, ein Entscheidungsgremium, das aus den Geschäftsführern der einzelnen Sparten besteht. Es erarbeitet bereichsübergreifende Ansätze und definiert Best Practices, die in allen Sparten Anwendung finden sollen.

Darunter haben wir ein strategisches Beratungsgremium, das Strategic Advisory Board, etabliert sowie einzelne Technologiegruppen. Die Technologiegruppen erforschen externe technologische Trends und teilen ihre Erfahrungen mit allen Sparten, während das Beratungsgremium sich um die strategischen Entscheidungen und mögliche neue Geschäftsmodelle kümmert.

Definierte Projektteams arbeiten dann gemeinsam an bereichsübergreifenden Digital-Projekten. Wir haben außerdem eine Arbeitsgruppe zusammengestellt, die sich zentral mit der Infrastruktur beschäftigen, die für diese digitalen Lösungen erforderlich sein wird.

04 Welche digitalen Trends erforschen Sie derzeit in diesen Technologiegruppen?

Wir müssen zwischen zeitlich begrenzten und langfristigen Technologiegruppen unterscheiden. Das Ziel von zeitlich begrenzten Technologiegruppen ist es, sich konzentriertes Wissen zu einem bestimmten Thema innerhalb kurzer Zeit anzueignen und dieses mit allen Sparten zu teilen. Kürzlich hat eine Gruppe zum Beispiel das Thema Building Information Modelling (BIM) untersucht.

Langfristige Technologiegruppen auf der anderen Seite bringen Experten aus allen Sparten von Zeit zu Zeit an einen Tisch, um Erfahrungen und Best Practices zu umfassenderen Themen auszutauschen. Dazu gehört zum Beispiel eine Technologiegruppe zu Analytics & Predictions, wobei Maschinendaten und modernste Datenanalysen genutzt werden, um bestimmte Szenarien vorherzusagen. Eine weitere Gruppe konzentriert sich auf das Thema Internet of Things im industriellen Bereich und erforscht die Infrastruktur und Architektur, die wir für industrielle IoT-Lösungen benötigen werden.

Auch wenn sich die spezielle Anwendung einer Technologie und das Endprodukt in den einzelnen Sparten unterscheiden, wird es immer Überschneidungen geben und die Möglichkeit, von den Erfahrungen anderer zu profitieren.

Condition Monitoring

Das Konzept des Condition Monitoring (zu Deutsch: Zustandsbeurteilung) basiert auf dem regelmäßigen oder kontinuierlichen Bericht über den Maschinenzustand, indem physische Faktoren gemessen und analysiert werden.

05 Welches sind die dringlichsten Herausforderungen in allen Unternehmensbereichen und Branchen, die durch digitale Anwendungen gelöst werden könnten?

Zwei eng verwandte Themen, die die meisten unserer Sparten betreffen, sind Condition Monitoring und Remote Services. Ganz gleich, ob das Liebherr-Produkt ein Mobilkran, ein Flugzeugfahrwerk oder ein Kühlschrank ist – jeder Kunde möchte, dass sein Produkt richtig gewartet wird und vertraut auf unseren schnellen Kundenservice, um so wenig Downtime wie möglich zu verzeichnen. Verschiedene Plattformen, IoT-Infrastrukturen und Analysen geben uns einen besseren Überblick über den derzeitigen Zustand einer Maschine, identifizieren Probleme schneller und nutzen sogar Daten, um vorherzusagen, wann eine Wartung in Zukunft erforderlich sein wird.

Ein anderes wichtiges Thema ist der Einsatz von digitalen Tools, um die Kommunikation mit unseren Kunden zu verbessern. In unserem Privatleben kaufen wir problemlos bei Online-Händlern ein, rufen unsere vergangenen Transaktionen ab und nutzen unterschiedliche Medien, sowohl online als auch offline, um mit dem Händler in Kontakt zu treten. Wir denken, dass unsere Kunden diesen digitalen Service von uns ebenfalls erwarten werden, auch wenn sie weiterhin die enge, persönliche Beziehung zu unseren Vertriebsmitarbeitern schätzen. Deshalb müssen wir uns die Frage stellen, wie digitale Tools diese persönlichen Beziehungen ergänzen können, anstatt sie zu ersetzen, und wie wir unsere allgemeine Kundenerfahrung damit verbessern können.

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