Die USA-Serie | Gary Chatell, Standortleiter Saline

Nach seinem Physikstudium hat Gary Chatell viel Erfahrung in japanischen Unternehmen gesammelt. Über 30 Jahre war er insgesamt im japanischen Umfeld unterwegs, inklusive Umzug für einige Zeit nach Japan. Maschinenbauer, Leiter Entwicklung, und Leiter Market Sales sind nur eine paar seiner Stationen, bis er dann letztendlich 2017 Standortleiter von Liebherr Gear and Automation Technologies, Inc. in Saline, Michigan wurde.

In unserem Interview gibt er uns einen kleinen Einblick hinter die Kulissen von Saline, spricht über die Herausforderungen des amerikanischen Marktes und über seine Erfahrungen mit der deutschen Unternehmenskultur.

Was sind Ihre Hauptaufgaben als Leiter unseres Standorts in Saline?

Als Standortleiter ist meine wichtigste Aufgabe sicherzustellen, dass wir unsere Ziele erreichen können. Das heißt, Kapazitäten und Personalfragen klären, prüfen, ob die Mitarbeiter die notwendigen Informationen, Werkzeuge und Materialien haben, um Ihre Aufgaben zu erfüllen und natürlich als Ansprechpartner bei jeglichen Fragen und Unklarheiten mit offener Tür zur Verfügung zu stehen.

Wie ist der Standort in Saline aufgebaut?

In Saline haben wir rund 60 Mitarbeiter. Diese verteilen sich auf den Vertrieb, das Projektmanagement, den Service und das Ersatzteilwesen für Verzahnmaschinen und Automationssysteme. Wir betreuen Kunden in den USA, Kanada und Mexiko.

Mit welchen Themen setzen sich Kunden aus Ihrem Markt aktuell auseinander?

Natürlich ist auch hier das Thema Elektromobilität omnipräsent. Allerdings, anders als in Europa, spielt der Verbrennungsmotor, gerade bei LKW-Herstellern, nach wie vor eine große Rolle. Das liegt an der Infrastruktur in den USA: wir sind ein großes Land und die Zugstrecken sind nicht ganz so gut ausgebaut, daher sind wir sehr stark auf LKWs angewiesen. Das wurde durch COVID nur noch verstärkt, da die Verbraucher ihre Produkte vermehrt online bestellen und liefern lassen. Sicherlich wird es auch für LKWs in Zukunft alternative Antriebe geben, aber solange diese noch nicht flächendeckend eingesetzt werden, bleibt die Nachfrage nach Systemen für die Produktion von Dieselmotoren – wie beispielsweise Portalroboter - bestehen.

Ein weiteres Thema ist wie in vielen Märkten der Fachkräftemangel. Der amerikanische Arbeitsmarkt ist sehr dynamisch und qualifiziertes Personal zu finden und langfristig zu halten ist äußerst schwierig. Damit sich die Investition in Maschinen auch auszahlt, wollen gerade kleinere Firmen ihre Maschinen möglichst durchgehend laufen lassen, was mit mangelnden Personal schwierig umzusetzen ist. Daher bedarf es einem hohen Grad an Automation – sowohl in der Maschine als auch um die Maschine herum.

Was war bisher Ihr größtes Highlight während Ihrer Zeit bei Liebherr?

Wir haben vor kurzem in Saline unsere Herausforderungen genau durchleuchtet und gemeinsam ein Leitbild ausgearbeitet. Die Grundlage für unser Handeln bilden natürlich die Grundwerte der Liebherr Gruppe. Darauf aufbauend und mit Blick auf unsere standortspezifische Situation haben wir 3 Fokusthemen eingeführt, die unser tägliches Geschäft und den Umgang miteinander leiten.

Das erste Thema ist Kundenfokus. Dieser Punkt ist selbsterklärend, doch in den USA vielleicht noch wichtiger, als in anderen Märkten. Der Kunde hat große Anforderungen an seine Lieferanten und erwartet vollen Fokus und schnelle Reaktionszeiten.

Neben dem Kundenfokus wollen wir gleichzeitig auch wachstumsorientiertes Denken stärken. Wir wollen unsere Mitarbeiter pushen, über den Tellerrand hinauszublicken. Wichtig ist hier besonders, neue Ideen zu akzeptieren und den Satz „So haben wir das schon immer gemacht“ zu streichen. Wir ermutigen unsere Mitarbeiter auch, Fortbildungen zu machen und haben schon die ersten Kollegen, die berufsbegleitend gerade einen MBA machen.

Das dritte Thema ist Vielfalt und Inklusion. Die USA ist ein Sammelbecken von zahlreichen verschiedenen kulturellen Hintergründen, Religionen und Denkweisen. Diverse Teams sind nachgewiesen innovativer und erfolgreicher. Dabei reicht es nicht, eine vielfältige Belegschaft zu haben. Die Mitarbeiter müssen auch richtig integriert werden, damit sie sich wohl fühlen und die Freiheit spüren, ihre Vielfältigkeit auch zu zeigen, damit wir davon profitieren können. Natürlich passiert sowas nicht über Nacht. Wir gehen erste Schritte und hoffentlich kann ich hierin eine Veränderung anstoßen die von den nächsten Generationen weitergeführt wird.

Was ist die größte Herausforderung Ihres Standorts?

Wie unsere Kunden haben auch wir mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. Gerade in der Steuerungstechnik ist es schwierig Mitarbeiter zu finden. Wir versuchen dem entgegen zu wirken, indem wir unsere Firma schon früh bei zukünftigen Ingenieuren bekannt machen. Beispielsweise fördern wir das Robotikteam einer lokalen High School. Wir haben auch gute Beziehungen zur University of Michigan. Hier gibt es ein Programm für zukünftige Ingenieure die ein praktisches Projekt bei ortsansässigen Unternehmen durchführen, woran wir uns auch schon beteiligt haben.

Erzählen Sie uns von Ihrer Erfahrung als Mitarbeiter bei einer deutschen Firma? Was macht Liebherr für Sie aus?

In der Vergangenheit hatte ich immer für japanische börsennotierte Unternehmen gearbeitet. Der Wechsel zu einem deutschen Familienunternehmen war eine große Umstellung, die aber viele Vorteile mit sich bringt. Wir haben den Luxus, langfristigere Entscheidungen treffen zu können, die nicht darauf basieren, Aktionäre kurzfristig zufrieden zu stellen.

Was mir außerdem äußerst positiv aufgefallen ist, ist das Support-System. Wenn wir beispielsweise Probleme damit haben, ein gesetztes Ziel zu erreichen, wird nicht sofort mit Konsequenzen gedroht. Stattdessen wird gefragt, was man braucht, um das Ziel zu erreichen und dann werden Hebel in Bewegung gesetzt, um sicherzustellen, dass wir die notwendige Unterstützung bekommen.

Besonders hervorheben möchte ich auch, dass die Liebherr-Familie sich wirklich um ihre Mitarbeiter sorgt und das merkt man auch. Beispielsweise während des Corona-Lockdowns, als viele Mitarbeiter nicht zur Arbeit kommen konnten, hat Liebherr einen beträchtlichen Anteil der Löhne der Mitarbeiter weitergezahlt und wir mussten niemanden entlassen. Dies ist in den USA nicht selbstverständlich – viele Unternehmen mussten ihre Belegschaft stark verkleinern. Als ich dieses Jahr Willi Liebherr getroffen habe, habe ich mich persönlich für die Hilfe in dieser Zeit bedankt – seine Antwort war typisch „Nein, Ich habe zu danken – und danke an Ihre Mitarbeiter für ihren Einsatz.“