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Globale Website: Produkte & Services für Andere LänderLR 11350 mit Spezialtransporter zum Einsatzort
Erbaut 1978, musste das Charmaix-Viadukt in der Region Auvergne-Rhône-Alpes aufgrund statischer Probleme ersetzt werden. Im vergangenen Sommer wurde das neue, parallel verlaufende Bauwerk der Autobahn A43 für den Verkehr freigegeben und im Anschluss mit dem Rückbau der alten Brücke begonnen. Im Herbst holte dann der stärkste Raupenkran des deutschen Kran- und Schwerlastunternehmens Schmidbauer GmbH & Co. KG die letzten Träger von den höchsten Pfeilern. Die Herausforderungen beim Aufbau des Liebherr-Raupenkrans am Berghang waren exorbitant.
Eine unbefestigte und kurvige Schotterpiste mit teilweise 25 Prozent Gefälle – das war die unerbittliche Hürde auf den letzten hundert Metern, die sämtliche Kranteile auf ihrem Weg zur Baustelle zu bewältigen hatten. Steil bergab also, zu dem Platz, an dem der Liebherr-Raupenkran LR 11350 für seinen anspruchsvollen Einsatz auf sehr begrenzter Fläche aufgebaut werden musste. Große Maststücke wurden etwa 30 Höhenmeter nach unten geschafft, ebenso wie die schwersten Komponenten des Großkrans: die fast 15 Meter langen Raupenträger mit gigantischen Stückgewichten von 72 Tonnen. „Insgesamt waren es 80 Schwertransporte, die hier eingetroffen sind. Und kein Platz zum Parken, Wenden, Lagern. Es war der Wahnsinn!“
Der, der uns das erzählt, ist Oliver Thum, Technischer Außendienst bei Schmidbauer und vor allem eines: „alter Hase“ im Krangeschäft. Thum, der 1977 als Teenager seinen beruflichen Werdegang bei Liebherr in Ehingen mit einer Ausbildung zum Maschinenschlosser gestartet hatte, war kranseitig für den Rückbau des Autobahnviadukts in den französischen Alpen mit dabei. „Die absolute Herausforderung für uns war hier das unwegsame Gelände“, berichtet Thum. „Und das nicht nur beim Heranschaffen der Kranteile. Vor allem das Zusammenbauen der Gittermaste hat uns einiges abverlangt.“
Logistisches Meisterstück
Aufgrund der schwierigen Topografie sowie fehlender Lagerflächen mussten Anlieferung und Aufbau der enormen Maschine Hand in Hand gehen. Schon logistisch eine gewaltige Herausforderung. Nahezu sämtliches Material, das aus Marseille angeliefert wurde – dort hatte der brandneue Kran seinen ersten Job –, musste oberhalb der staubigen Schotterstraße umgeladen und mit einem allradgetriebenen Spezialtransporter einzeln in die Talsenke gebracht werden. Ein mühsames wie zeitraubendes Unterfangen.
Kranaufbau: Drei Wochen statt drei Tage
Extrem beschwerlich gestaltete sich zunächst das Rüsten des Krans dann die Auslegermontage. Der Derrickmast sowie der 108 Meter lange Hauptausleger mussten teilweise fliegend – also in der Luft schwebend – zusammengebaut werden. Mangels planer und waagerechter Flächen bewerkstelligte das Schmidbauer-Team dieses schweißtreibende Unterfangen entlang des steilen Zubringerweges. „Wir haben uns dabei die Hacken abgelaufen, bergauf, bergab“, erzählt Thum. Mit Hilfe einiger Abbruchbagger wurde für den Zusammenbau des gigantischen Gitterauslegers das unwegsame Gelände mehrmals „dem Kran anpasst“. Volle drei Wochen nahmen die Aufbauarbeiten in Anspruch. „Normalerweise schaffen wir das Rüsten dieser Konfiguration in etwa drei Tagen“, sagt Oliver Thum.
Schließlich aber thronte der LR 11350 weithin sichtbar und hubbereit über dem Tal. Die Arbeiten für den Rückbau der Reste des alten „Viaduc du Charmaix“ konnten starten. 1978 in Betrieb genommen, hatte das ursprünglich 350 Meter lange Spannbeton-Bauwerk von Beginn an große Probleme gemacht. Und viel Arbeit. Die Stabilität des Untergrunds aus Schiefergeröll wurde bei der Planung damals falsch bewertet und die Brückenpfeiler zwischen den zwei Berghängen nicht tief genug verankert. Schon zwei Jahre nach Inbetriebnahme waren manche Träger um einige Zentimeter verschoben. Untersuchungen ergaben, dass sich die Brückenpfeiler mit der Geröllschicht talwärts bewegten. Seitdem wurden in drei technisch sehr aufwendigen Operationen die betroffenen Pfeiler an ihren Fundamenten neu ausgerichtet, letztendlich jedoch der nun fertiggestellte Neubau beschlossen.
Kran fährt mit 245 Tonnen Last am Haken
Der Raupenkran wurde beim Rückbau des ausgedienten Bauwerks benötigt, um die gewaltigen Betonträger von den hohen Pfeilern aus der Talmitte zu heben. Drei Trägerfelder mit je vier Bindern galt es zu räumen und dabei Bruttolastfälle von rund 245 Tonnen zu bewältigen. Bei den zwei nächstgelegenen Abschnitten meisterte der LR 11350 die Bergung der rund 40 Meter langen Fahrbahnteile souverän im Alleingang. Bestückt mit bis zu 950 Tonnen Ballast bewältigte die Maschine Ausladungen von maximal 70 Metern. Die am weitesten entfernten Träger wurden zuletzt zusammen mit einem 700-Tonnen-Mobilkran im Tandemhub zu Boden gelassen.
In der Kabine des LR 11350 gaben sich die Kranfahrer Frank Wache und Fabian Ueck abwechselnd die Joysticks in die Hand. Die beiden waren mit dem kniffligen Job betraut, die Binder vorsichtig von der alten Brücke zu holen und sie nach einem 180-Grad-Schwenk auf dem Geröll des Steilhangs abzulegen. Aufgrund der engen Stellfläche mussten die Raupenträger dabei rund zehn Meter Distanz auf der Bongossi-Unterlage zurücklegen, um die am Derrickausleger hängende Ballastpalette durchzuschwenken. Nach Absetzen des Betonteils machten sich vier Abbruchbagger gierig über den Stahlbeton her, um Platz für das nächste geborgene Brückenteil zu schaffen.
Runde drei Monate dauerte der Einsatz in den Alpen für den Kran und das Team von Schmidbauer. Mitte Dezember war das alte Viadukt verschwunden.
Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 01 | 2024.