Herr Krappinger, welche Ziele hat Liebherr mit der Aufnahme des HLC 295000 in sein Produktprogramm verfolgt?

Reinhard Krappinger: Unser Ziel ist es immer, die Anforderungen unserer Kunden zu bedienen. Die HLC-Baureihe ist unter anderem für den Aufbau von Offshore-Windenergieanlagen entwickelt worden. Diese wachsen stetig und auch ihre Komponenten erreichen immer größere Dimensionen. So war die Heavy-Lift-Crane-Serie die logische Antwort auf die Tendenz zu immer größeren Offshore-Windenergieanlagen.

Wird sich die Sparte Maritime Krane in Zukunft noch stärker auf Schwerlastkrane fokussieren?

Reinhard Krappinger: Ja. Die Erweiterung des Schwerlastkran-Programms ist in unserere Strategie verankert, weil wir damit ein zukunftsweisendes, wachsendes Marktsegment bedienen können. Hintergrund ist die Energiewende: Um eine nachhaltige Energieversorgung zu gewährleisten, werden zunehmend Offshore-Windkraftanlagen gebaut.

Die Energiewende ist außerdem ein Treiber für den vermehrten Abbau von Offshore-Öl- und -Gas-Förderanlagen. Dabei versucht man möglichst große Teile in einem Stück abzubauen um Transportwege zu reduzieren. Auch das lässt sich durch den HLC 295000, mit seiner Hubkapazität von 5.000 Tonnen, sicher bewerkstelligen. Wir planen aktuell einen jährlichen Absatz von ein bis zwei Kranen aus der HLC-Serie. Da ist also einiges an Potenzial vorhanden.

Die Erweiterung des Schwerlastkran-Segments ist in der Strategie unserer Sparte verankert, da es sich um ein zukunftsweisendes, wachsendes Marktsegment handelt.

Der erste HLC 295000 wird für die belgische DEME Group gefertigt. Weshalb hat der Kunde sich für Liebherr entschieden?

Reinhard Krappinger: Aufgrund der Komplexität und Größe solcher Krane gibt es nur sehr wenige Hersteller, welche die erforderlichen technologischen Anforderungen erfüllen können und die entsprechenden Fertigungsmöglichkeiten besitzen. Zudem haben die Abnehmer solcher Krane sehr hohe Ansprüche an die Qualität und legen Wert auf den Fertigungsstandort Europa. Wir fertigen in Rostock, und in puncto Qualität haben wir den zusätzlichen Vorteil, dass wesentliche Komponenten aus Liebherr-eigener Fertigung stammen. Darüber hinaus benötigt man einen kompetenten, verlässlichen Service. Wir können alle diese Anforderungen erfüllen, deshalb fiel die Wahl auf uns.

Wie sahen die Kundenanforderungen denn im Detail aus?

Reinhard Krappinger: Die Anforderungen waren vor allem hohe Traglasten zum Heben von Anlagenteilen und Fundamentstrukturen. Darüber hinaus benötigt es Hubhöhen von bis zu 175 m zum Heben der Topsides, also des gesamten Teils der Windenergieanlage, der über der Wasserlinie liegt. Für diese Arbeiten verfügt der HLC über ein Leistungsvermögen von 8 Megawatt und über die inhouse entwickelte Litronic-Kransteuerung.

Welche Herausforderungen bringt der Bau des HLC 295000 mit sich?

Reinhard Krappinger: Ein Kran dieser Dimension war auch für uns etwas Neues. Allein die Größe der Bauteile und deren Transport zu den einzelnen Fertigungsstätten auf unserem Betriebsgelände erforderten einen entsprechend intelligenten Planungs- und Logistikprozess. Beispielsweise musste für die final 3.000 Tonnen schwere Drehbühne eine Bearbeitungsmaschine vergrößert und in der Fertigungshalle installiert werden.

Darüber hinaus haben wir für den Erstaufbau des Krans einen Portalschwerlastkran auf Basis des MTC 78000 konstruiert und in unserem Werk errichtet, den TCC 78000. Er verfügt über eine Hubkapazität von 1.600 Tonnen und überragt mit seinen 164 m das bisher höchste Gebäude im Rostocker Hafen, den Kühlturm des Rostocker Kraftwerks. Damit ist er übrigens einer der weltweit größten landgebundenen Portalschwerlastkrane.

Wie viele Mitarbeiter sind bei diesem Projekt im Einsatz?

Reinhard Krappinger: Das HLC-Kernteam setzt sich interdisziplinär und gesellschaftsübergreifend zusammen. Wir haben hier Kompetenzen aus Liebherr-Werken in Rostock, Nenzing und Biberach gebündelt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen vorwiegend aus den Bereichen Vertrieb, Entwicklung, Einkauf, Produktion, Erstaufbau und Kundendienst. Je nach Entwicklungs- und Bauphase umfasst das Team 30 bis 40 Angestellte. In der Fertigung sind es ca. 250 Beschäftigte.

Herr Dr. Krappinger, verraten Sie zum Abschluss, wie weit der Bau aktuell fortgeschritten ist?

Reinhard Krappinger: Der Stahlbau ist so gut wie abgeschlossen und wir haben mit der Montage begonnen. Geht man durch unsere Fertigungshallen, kann man bereits die beeindruckenden Hauptbaugruppen und die ersten Großkomponenten sehen: z. B. Großwälzlager, Winden oder auch Drehwerke. Insgesamt 800 Tonnen Komponenten kommen aus dem Liebherr-Werk in Biberach.

Herr Krappinger, vielen Dank für das Interview!

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