In vielen modernen Produktionen arbeiten Fertigungslinien mit mehreren Maschinen verschiedene Bearbeitungsschritte automatisiert ab. An der Liniengrenze hört die Automation oft auf, weiß Uwe Radigk, Leiter des Globalen Key Account Managements in der Automationssparte der Liebherr-Verzahntechnik GmbH: „Die Beschickung dieser Produktionslinien mit Bauteilen erfolgt oft noch händisch: Rohlinge werden chaotisch in Kisten angeliefert und von Menschen für die Bearbeitung positioniert. Dabei gibt es auch für die Ein- und Ausgänge solcher Produktionsstraßen sinnvolle Automatisierungslösungen, die den Produktionsprozess einfacher und sicherer gestalten.“ Je kleiner die Losgröße und je unterschiedlicher die Bauteile und Werkstücke, die auf einer Linie produziert werden, desto anspruchsvoller wird diese Aufgabe.

Liebherr hat für einen Kunden aus der Automobilbranche eine hochflexible Intralogistik entwickelt. „In diesem speziellen Beispiel bearbeitet eine Fertigungslinie mit rund 30 Maschinen Kurbelwellenrohlinge unterschiedlichen Typs vom Roh- bis zum Fertigteil“, berichtet Uwe Radigk, der das Projekt betreut hat. „Diese kommen ungeordnet in Kisten gelagert am Linienbeginn an. Die Produktion soll aber nicht über das vollständige Entleeren je Kiste gesteuert werden, sondern über die Stückzahlvorgabe des Leitrechners des Kunden. Wird nur die Hälfte der Rohlinge einer Kiste benötigt, wird der Rest zwischengelagert und neue Kisten mit anderen Bauteiltypen weiterbearbeitet.“

Je präziser die Werkstückablage sein soll, desto anspruchsvoller ist die Aufgabe für das Visionssystem und die Software, die Greiftechnik und die Ausrichtstation.

Uwe Radigk, Leiter Globales Key Account Management

Perfekt positioniert zur Bearbeitung

Diese Problemstellung hat Liebherr mit einem Rotationsladesystem (RLS) mit Bin-Picking-System gelöst. Die einzelnen Werkstücke liegen chaotisch in diesen Kisten. Das Herzstück des Liebherr Bin-Picking-Systems ist eine intelligente Software, welche die Daten der 3D-Visualiserung des Kisteninhalts mit den realen CAD-Daten der zu suchenden Werkstücke vergleicht und richtige Teile detektiert. Dabei werden mögliche Greifpunkte ermittelt und eine kollisionsfreie Entnahmebahn errechnet. „Damit ist der Roboter in der Lage, das optimal positionierte Werkstück präzise zu greifen und stoßfrei aus bis zu einem Meter Tiefe zu entnehmen,“ erklärt der Automationsspezialist. Da die Bauteile viele unterschiedliche Greifpunkte aufweisen, steht ein Ablageplatz als Umgreifstation bereit, auf der die Bauteile vor Übergabe an die Fertigungslinie erneut ausgerichtet werden. Bei solchen Aufgaben gilt: „Je präziser die Werkstückablage sein soll, desto anspruchsvoller ist die Aufgabe für das Visionssystem und die Software, die Greiftechnik und die Ausrichtstation. Typische Taktzeiten liegen - so wie bei der gesamten Fertigungslinie für diese Bauteile - bei rund 30 Sekunden.“

Dieses Verfahren ermöglicht eine hohe Teilevarianz sowie eine sehr flexible Produktion. Die Zuführstation verfügt über ein Rotationsladesystem (RLS) mit acht Speicherplätzen für die Zwischenlagerung der Werkstückkisten, zwei Arbeitsstationen, eine Einschleusstation und einen Ausschleusplatz. So können Aufträge variabel abgearbeitet werden. Die Zelle rüstet sich selbst um und kontrolliert die Werkstücke: Eine spezielle Gewichtssensorik erkennt ineinander verkeilte Werkstücke. Auch das Visionssystem erfasst durch einen Abgleich mit den CAD-Daten Teile, die sich fälschlicherweise in der Kiste befinden, und entnimmt diese nicht. Auf diese Weise erhöht sich die Prozesssicherheit, da eine Überprüfung unmittelbar in den logistischen Prozess integriert ist.

Geordnete Ablage am Linienausgang

Nach der Bearbeitung sind die Kurbelwellen sehr empfindlich. Über ein Förderband kommen die Bauteile sortenrein in Losgrößen in die Kommissionierstation, eine weitere Lösung aus dem Haus Liebherr. Mit einem Roboterarm werden die Teile gegriffen und in passenden Blistern abgelegt, die wiederum in Kisten gestapelt werden. Das Greifsystem verfügt daher über zwei Werkzeuge mit einem Wechselsystem: Werkstücke nimmt es mit einem mechanischen Parallelgreifer auf, Blister mit einem Vakuumgreifer.

Ein Palettenhandhabungssystem (PHS 1500) mit einer großen Anzahl an Lagerplätzen, kann jederzeit volle oder teilgefüllte Kisten aufnehmen und setzt so die Variabilität in der Bearbeitung fort. Über ein Band verlassen die fertig befüllten Kisten vollautomatisch die Linie und werden dann wiederum von mannlosen Fahrzeugen abgeholt. Gleichzeitig werden dem System über ein zweites Band leere Kisten mit Blistern zugeführt.

„Wir konnten die Anlage im März 2019 bei unserem Kunden erfolgreich in Betrieb nehmen. Sie läuft zuverlässig und er ist mit seinem neuen System sehr zufrieden“, berichtet Uwe Radigk aus der Praxis. Die erhofften Sparpotenziale machen sich bereits bemerkbar: Durch den automatisierten und damit vereinfachten Prozess spart das Unternehmen Materialkosten. Die Zwischenlagerung auf Paletten mit Blistern fällt dank der chaotischen Lagerung in Kisten weg. Dies reduziert zugleich auch die Umweltbelastung maßgeblich. Zudem kann das Personal sich zu hundert Prozent auf die Bedienung der Linie fokussieren, da keine händische Beschickung mehr nötig ist. „Dazu kommt noch der Aspekt der verbesserten Sicherheit. Mit dieser Anlage haben wir die Produktion auf ein neues Level heben können.“

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