
4 Minuten - Magazin 02 | 2024
Ist es ein Sicherheitsrisiko, wenn bei der Kranarbeit eine Stütze vom Boden abhebt?
Last und Ausladung liegen deutlich innerhalb der Traglastgrenze. Alles im grünen Bereich – das zeigt zumindest die Kransteuerung an.
Dennoch: Der Blick auf die Abstützungen verursacht ein flaues Gefühl im Magen. Einer der vier Stützfüße hebt deutlich sichtbar vom Boden ab. Warum Sie trotzdem gelassen bleiben können, erklärt Joachim Henkel, Abteilungsleiter Statik.

Kran mit H-Abstützung
Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, weshalb manche Hunde beim Pinkeln ein Bein anheben und ihr Geschäft auf den drei übrigen Beinen erledigen? Die Antwort ist einfach: Weil sie es können. Und genau so ist es bei abgestützten Mobilkranen. Sie können ihre Arbeit sowohl auf vier als auch auf drei Stützfüßen sicher verrichten. Wann und wie hoch bei einem Kran eine Stütze abhebt, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Kran mit Stern-Abstützung
Grundsätzlich ist das Phänomen Stützenabheben bei modernen Mobilkranen nicht vermeidbar und in großem Maße dem Leichtbau in Kombination mit den hochfesten Feinkornbaustählen geschuldet. Durch die hohe mögliche Spannungsausnutzung dieser Stähle steigt auch die elastische Verformung im tragenden Stahlbau des Unterwagens. Dieser Umstand begünstigt das Stützenabheben. Jeder abgestützte Mobilkran hat einen Arbeitsbereich, in dem alle vier Abstützungen auf dem Boden bleiben, selbst wenn sich der Oberwagen um 360° dreht. Je geringer der Lastradius, desto eher haben alle Abstützungen Bodenkontakt. Vergrößert der Kranfahrer den Radius und dreht er den Oberwagen so, dass der Ausleger über der Abstützung liegt, die von der Drehmitte am weitesten entfernt ist, dann kann die diagonal gegenüberliegende Abstützung komplett entlastet werden und somit abheben. Obwohl der Kran nur noch auf drei Abstützungen steht, ist er standsicher und darf innerhalb der Traglasttabelle weiterarbeiten.

Fahrzeugrahmen mit H-Abstützung
Generell neigen Krane mit einer H-Abstützung eher zum Stützenabheben, als Krane die auf einer Stern-Abstützung arbeiten. Das liegt daran, dass bei einer Stern-Abstützung die strukturellen Verhältnisse der vorderen und hinteren Abstützung nahezu identisch sind.

VarioBase® mit „exotischer" Abstützgeometrie und Auslegerstellung über der vorderen rechten Abstützung: Die hintere linke Abstützung neigt sehr stark zum Abheben.
Nicht so bei den H-abgestützten Kranen: Hier neigen die Abstützungen mit dem kürzeren Abstand längs zur Drehmitte des Oberwagens – in der Regel die hinteren – zum Abheben. Insbesondere dann, wenn der Oberwagen so gedreht ist, dass der Ausleger über einer der vorderen Abstützungen steht. Der Grund dafür ist, dass das vordere Teil des tragenden Fahrzeugrahmens länger ausgeführt ist und sich somit leichter unter Belastung verdrehen kann als das deutlich kürzere hintere und somit steifere Teil des Fahrzeugrahmens. Muss das vordere Teil des Fahrzeugrahmens aufgrund des Einbaus von Motor und Getriebe offen konstruiert werden, verdreht es sich unter Belastung noch stärker. Mit der Folge, dass die hintere Abstützung unter Belastung stärker abhebt.

FEM-Simulation Stützenabheben
Die Ingenieure bei Liebherr haben das Phänomen „Stützenabheben“ bei der Entwicklung eines neuen Krantyps auf dem Schirm. Mit Hilfe der computerunterstützten Simulation versuchen sie schon sehr früh in der Entwicklungsphase dem Stützenabheben durch geeignete konstruktive Maßnahmen entgegenwirken, soweit es eben die Randbedingungen zulassen.
Was das Stützenabheben begünstigt
- Art der Abstützung: H-abgestützte Krane sind eher betroffen als Krane mit Stern-Abstützung
- VarioBase® mit einer „exotischen“ Abstützgeometrie (siehe Abbildung)
- Großes Verhältnis von Länge des vorderen Teils des Fahrzeugrahmens zur Länge des hinteren Teils
- Hohe Traglastausnutzung
- Großer Lastradius
- Geringer Ballast auf der Drehbühne
- Winkelstellung des Oberwagens diagonal zur Abstützbasis mit Ausleger über einer Abstützung
Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 02 | 2024.