Mobil- und Raupenkrane

10 Minuten - Magazin 01 | 2025

Whisky Waves

Lust auf etwas Seeluft, betörend schöne Natur und somit ein bisschen Urlaubsfeeling, liebe Leserinnen und Leser? Dazu eine Spur von und auch zu George Orwell sowie vielleicht noch ein Schlückchen Hochprozentiges? Dann kommen Sie mit auf eine malerische Reise in den Norden Großbritanniens. Auf nach Schottland! Genauer gesagt: auf eine Kranfahrt durch das Geburtsland des Single Malt.

Eine Kranreise ins Epizentrum des Scotch Whisky

Wir starten unseren kleinen Ausflug unweit des sagenumwobenen Loch Ness und seines Ungeheuers. Etwas nördlich davon, in Muir of Ord, einem Dorf in den Highlands, hat unser Partner und Kunde Stoddart Crane Hire seinen Sitz. Von hier aus bedient das rührige Familienunternehmen mit seinen Mobilkranen Einsätze in ganz Schottland und – im wahrsten Sinne des Wortes – weit darüber hinaus. Denn eine seiner Spezialitäten sind Kranarbeiten auf den zahlreichen Inseln vor der schottischen Küste. Begleiten Sie mit uns die Crew von Stoddart auf ihrer Expedition zur Insel Jura vor der Westküste des Landes.

In Schottland mit seinen rund 150 Whiskybrennereien gibt es freilich mehrere Hotspots der begehrten Nationalspirituose. Eine Hochburg ist aber zweifellos die Insel Islay (sprich „Eye-la“) mit 13 zum Teil sehr renommierten Scotch-Produzenten. Islay und die Nachbarinsel Jura mit ihrer gleichnamigen Destille in einem Atemzug zu nennen, kommt für Whisky-Fans wegen der unterschiedlichen Charakteristik der Brände übrigens fast einem Sakrileg gleich. Denn in der einzigen Brennerei auf Jura, im kleinen Ort Craighouse, kommt der Single Malt mit deutlich weniger Rauch- und Torfaromen in die Flasche und somit etwas sanfter daher. Dafür finden Kenner neben Malz und Meer hier auch Noten von Früchten und dunkler Schokolade darin.

Voller Einsatz: Die Männer von Stoddart bauen auf Jura die provisorische Rampe, damit ihr Liebherr-Kran vom Deck des Landungsschiffs an Land rollen kann. „Wir sind mit unseren Kranen ständig auf den schottischen Inseln im Einsatz“, erzählt Ewan Stoddart (zweiter von rechts). Derzeit entsteht auf den Shetlands eine Startrampe für Weltraumraketen. Die blau-gelben Krane von Stoddart sind mit von der Partie.

Wie auf Islay, wo seit einigen Jahren die Kapazitäten ausgebaut, stillgelegte Brennereien reaktiviert und sogar neue gegründet werden, versucht man auch auf Jura vom weltweiten Whisky-Boom zu profitieren und expandiert. Jedenfalls erhielt Stoddart Crane Hire von dort die Anfrage, für die Modernisierung der Destillerie einen neuen Heizkessel zu installieren. Schnell war klar: Um das 40 Tonnen schwere Bauteil auf sein Fundament zu setzen, musste der größte Mobilkran im Fuhrpark von Stoddart ran, der LTM 1230-5.1. Blieb die Frage, wie der Kran auf die kleine Insel und zur Baustelle kommen sollte.

Ohne Ballast und Hakenflasche: Etwas verwunschen wirkt die Insel bei tief hängenden Wolken, als der LTM 1230-5.1 von der Anlegestelle auf der einzigen Straße der Insel zu seinem Einsatzort fährt. Folgt man dem Weg in die andere Richtung, erreicht man fast am nördlichen Ende von Jura ein kleines Häuschen, in dem George Orwell seinen Roman „1984“ geschrieben hat.

Ein Fall für Juniorchef Ewan Stoddart: „Auf Islay haben wir schon für alle Hersteller dieser zum Teil weltberühmten Whiskys gearbeitet. Dank der großen Fährschiffe ist es für unsere Krane kein Problem, vom Festland aus dorthin zu kommen. Auf Jura hingegen gibt es nur eine Anlegestelle für eine kleine Autofähre. Von dort führt die einzige schmale, teilweise auf Torf gebaute Straße zur Brennerei, die wir mit dem Mobilkran nicht befahren können. Wir mussten also eine andere Lösung finden, um mit unserem großen 230-Tonner zur Baustelle zu gelangen“, erzählt uns Ewan.

Am Ziel: Das Ende einer langen Anreise: Der LTM 1230-5.1 erreicht die Brennerei in Craighouse.

Taucher im Einsatz

Hier kommt nun das Know-how ins Spiel, das die Firma Stoddart Crane Hire zu etwas Besonderem macht. Das Familienunternehmen, das Ewan zusammen mit Schwester Kerri und Vater David leitet, hat sich unter anderem auf Kraneinsätze auf den schottischen Inseln spezialisiert. Um Krane und Transporte dorthin zu bringen, hat Stoddart eine beeindruckende Logistik aufgebaut. Für den Job auf Jura wird gemeinsam mit dem langjährigen Partner Ferguson Transport & Shipping fast zwei Jahre lang geplant, inspiziert und geprüft. Sogar Taucher werden eingesetzt, um eine Stelle an der Küste zu finden, die einerseits den Bau eines provisorischen Anlegers sowie die Anlandung eines Transportschiffes erlaubt und andererseits nicht zu weit vom Standort der Brennerei entfernt ist.

Über die Highlands an die Westküste und mit dem Schiff gen Süden – Stoddart Crane Hire hat sich auf Insel- Einsätze spezialisiert.

Im vergangenen Frühjahr ist es dann soweit: für Ewan und seine Männer kann es endlich losgehen. Und natürlich auch für unseren Liebherr-Kran. Vom Firmensitz aus schlängelt sich der mächtige Fünfachser zwei Stunden lang über die sanften Hügel der Highlands bis an die Westküste Schottlands. Vorbei an gelben Meeren aus blühendem Ginster. Er passiert acht Seen – Lochs unterschiedlichster Größe und Namen. Sein Ziel: Loch Kishorn mit Zugang zum offenen Meer. Im dortigen Hafen wartet schon „Carly“, das knallrot lackierte Landungsschiff, das den LTM 1230-5.1 zur Isle of Jura bringen soll. Ewan und seine Männer müssen zusammen mit der Schiffsbesatzung ein paar Stunden am Ufer warten. Noch ist die Flut zu hoch. Dann, bei idealem Wasserstand im Spiel der Gezeiten, bugsieren die Männer den Kran vorsichtig über die ins Wasser führende Betonrampe auf das Transportschiff. Um das Gewicht der Fracht für die Seereise gering zu halten, werden die Ballastblöcke und die Hakenflasche separat zur Baustelle gebracht. An Bord wird der Mobilkran noch mit schweren Ketten gesichert, dann legt die „Carly“ ab und nimmt Kurs auf ihr Ziel: die Insel Jura.

Auf der Insel

Zwei Tage später hat das Landungsboot die 130 Seemeilen oder 250 Kilometer lange Passage nach Süden zurückgelegt. Auf Jura wird derweil mit Hochdruck an der provisorischen Anlegestelle gearbeitet und Teile der Fahrstrecke sind bereits mit Metallplatten ausgelegt. Der beträchtliche Aufwand lohnt sich: Ohne Probleme kann das Schiff mit seiner schweren Fracht anlegen und über die Rampe aus Betonblöcken, Schotter und schweren Bongossi-Hölzern lenkt Kranführer Nikki sein Gefährt mühelos an Land. Nach einem kurzen Check beginnt die zwei Meilen lange Fahrt zur Whisky-Brennerei. Vorbei an einer kleinen Gruppe Kegelrobben, die unbeeindruckt auf großen Steinen in Ufernähe döst, geht es zügig nach Craighouse. Dort, im einzigen größeren Ort der Insel mit Hotel, Campingplatz und kleinen Läden, schiebt sich der Mobilkran bis zu den dominanten weißen Backsteinbauten der Destillerie, bahnt sich seinen Weg vorbei an neugierigen Touristen, die im Mai bereits zahlreich die Insel bevölkern.

Mission accomplished: Der LTM 1230-5.1 tritt seine Rückreise zum schottischen Festland an. Die provisorische Anlegestelle wurde eigens für das Transportschiff gebaut.

Übrigens: Fährt man auf der schmalen Straße in die entgegengesetzte Richtung bis der Weg an einer Schranke endet, kommt man einem Geburtsort der Weltliteratur sehr nahe. Wer den anschließenden Fußmarsch nicht scheut, erreicht irgendwann Barnhill, ein gedrungenes, weiß getünchtes Cottage. Hier fand der Schriftsteller George Orwell nach dem Zweiten Weltkrieg in seinen letzten Lebensjahren ein Zuhause und – wie er schrieb – auch Zuflucht und Ruhe in der herben Schönheit der Insel. In dieser Abgeschiedenheit entstand sein Roman „1984“, sein letztes und neben „Animal Farm“ bekanntestes Werk.

24.482 Fass Whisky

Ob sich der passionierte Raucher Orwell damals auf der Insel mit Single Malt eingedeckt hat, ist nicht überliefert. Auch Graham Geddes kann es nicht sagen. Graham entstammt einer kleinen Familiendynastie schottischer Whisky-Brenner und hat vor über 20 Jahren als Maischer in der Branche angefangen. Er wurde Brenner und schließlich Destillateur, erzählt er. Jetzt steht er als Geschäftsführer der Destillierie „Isle of Jura“ vor uns. Und vor Tausenden von Whiskyfässern. „Es sind exakt 24.482 Fässer hier in unseren drei Lagerhäusern“, weiß der noch recht frisch gebackene Distillery Manager. Natürlich weiß er noch viel, viel mehr und erzählt uns gerne. Von der über 200-jährigen Geschichte der Brennerei mit ihren vielen Besitzerwechseln und der Schließung um 1900, die sechs Jahrzehnte währen sollte. Vom Abriss der alten Gebäude und dem Neubau in den 1960er Jahren. Oder davon, dass jeder seiner Brände zunächst einige Jahre in ehemaligen Bourbonfässern lagert, bevor er zur Veredelung in Fässer umzieht, die zuvor Roggenmaische, Wein oder Rum beherbergt haben. Je nach gewünschtem Finish.

Fake im Glas: Nach fast getaner Arbeit haben wir die Männer von Stoddart in die gut bestückte Bar des „Jura Hotel“ genötigt. Einfach zu verlockend als Abschluschlussbild dieses charmanten Ausflugs in die Welt unserer Mobilkrane. (Für das Gruppenfoto dieser sympathischen Truppe musste übrigens Cola so lange mit Leitungs- wasser verdünnt werden, bis die Farbe im Glas der des Jura-Whiskys glich.) Auf dem linken Barhocker: Ewan Stoddart, einer der Geschäftsführer des Familienunternehmens. Daneben simulieren Nikki Webster, Steven Sharpe und Steven Stoddart den Umtrunk. Thanks guys & cheers. Oder besser gleich auf schottisch: Slàinte!

Und er erzählt von den logistischen Herausforderungen, die der abgelegene Standort auf der Insel mit sich bringt – auch für die geplante Erweiterung der Brennerei. „Hier auf dem Produktionsgelände stoßen wir heute mit den randvollen Lagern an unsere Kapazitätsgrenzen“, berichtet Graham. „Alle neuen Brände müssen wir derzeit zur Reifung aufs schottische Festland transportieren. Auch, weil eines der vier riesigen Lagerhäuser abgerissen werden musste, um Platz für eine neue, moderne Anlage zu schaffen. Dieses zukunftsweisende Projekt soll den CO₂-Fußabdruck unserer Brennerei weiter reduzieren. Deshalb installieren wir zum ersten Mal einen großen Biomassekessel.“

Gemessen an den Vorbereitungen und den Strapazen der abenteuerlichen Anreise wird der Kessel am nächsten Tag von Ewan Stoddart und seinen Männern mit dem großen Mobilkran in wenigen Stunden ganz unspektakulär an Ort und Stelle eingebaut. Auch ein kleiner Liebherr-Kompaktkran packt mit an. Dieser LTC 1045-3.1 verrichtet schon seit vielen Wochen allerlei Arbeiten auf der Baustelle. Er wird noch lange auf der Insel bleiben, um kleinere Anlagenteile zu platzieren. Dann wird er die Montage im Stahlbau

übernehmen und beim Bau eines Silos zum Einsatz kommen. Der große Kran aber fährt direkt nach getaner Arbeit wieder zur Anlegestelle des Landungsbootes, das ihn zurück aufs Festland bringt. Dort warten neue Aufgaben auf ihn und die Männer von Stoddart Crane Hire. Auch auf den vielen Inseln in der Schottischen See.

Dieser Artikel erschien im UpLoad Magazin 01 | 2025.

Das könnte Sie auch interessieren